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Die Unermesslichkeit

Die Unermesslichkeit

Titel: Die Unermesslichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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der Podestkante saß, abgewandt von Wind und Regen, geduckt. Er sollte sie nach Hause bringen. Sie sollte damit nicht behelligt werden. Nur noch ein paar Lagen, und dann würden sie gehen.
    Er trat zu ihr und entschuldigte sich. Das ist einfach frustrierend, sagte er. Da hinten gibt es noch eine Hütte, und ich weiß nicht, wo die ihre großen Stämme her haben.
    Schon okay. Vielleicht fällt uns mit diesen was ein.
    Sie legten noch eine Lage drauf, sägten und nagelten die Ecken zusammen und traten dann zurück, um die Zwischenräume zu betrachten. Sie standen im Regen und überlegten, wie sie es hinkriegen sollten.
    Vielleicht kannst du eine Lage an die nächste nageln, sagte Irene. Mit längeren Nägeln. Das bringt sie vielleicht näher zusammen. Und dann kam es ihr vor wie eine Metapher – wenn sie all ihre früheren Persönlichkeiten nehmen und zusammennageln würden; wenn sie die näher zusammenbringen könnten, die sie vor fünf und vor fünfundzwanzig Jahren gewesen waren, hätten sie vielleicht ein stabiles Gefühl. Für sich und für ihre Ehe, denn Ehe war ja dem Selbstgefühl nicht unähnlich, etwas Flüchtiges und Wandelbares, etwas Wichtiges und auch Nichtiges. Man konnte sich jahrelang darauf verlassen, einfach annehmen, dass es da war, doch wennman danach suchte, wenn man es brauchte, etwas Substanz zu finden versuchte, etwas zum Festhalten, griffen die Hände ins Leere.
    Das ist eine gute Idee, sagte Gary. Das versuche ich. Danke, Reney.
    Sie nagelten noch eine Lage an und trugen dann alle Lagen ab und schleppten sie beiseite für den morgigen Einsatz. Morgen würden sie versuchen, alles enger zusammenzufügen.

M onique und Carl lagen auf dem Bett in Jims Gästezimmer. Später Nachmittag, nach dem Duschen. Carl mit dem inständigen Wunsch, sie möge mit ihm schlafen, voller Angst, etwas zu sagen. Monique mit starrem Blick an die Decke.
    Ich bin müde, sagte Monique.
    Hm, sagte Carl.
    Monique knackte mit den Zehen.
    Nicht. Arthrose.
    Monique seufzte. Sie stand auf, wickelte ihr Handtuch ab, warf es auf einen Stuhl und legte sich unter die Decke, nackt. Carl warf sein Handtuch hin und legte sich ebenfalls unter die Decke.
    Monique drehte sich auf den Bauch, Gesicht abgewandt, und schlief ein.
    Carl zog sich an und ging in die Küche, ins Wohnzimmer. Ein reiches Haus, tolle Ausblicke, nette Sofas. Er öffnete Kühlschrank und Tiefkühle, suchte nach etwas Leckerem. Eis am Stiel, eine Möglichkeit. Räucherlachs, immer gut. Trotzdem machte er die Türen wieder zu und sah in die Speisekammer, lieber etwas anderes. Fand ein kleines Fläschchen Ahornsirup, ungeöffnet. Es hatte einen Henkel, durch den man einen Finger schieben konnte, und einen winzigen goldenen Verschluss. Importiert aus Kanada.
    Carl nahm es mit ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch mit Blick auf den Cook Inlet. Er schraubte den Verschluss ab und nippte am Sirup, hielt das Fläschchen dann mit beiden Händen im Schoß wie eine Feldflasche mit Whiskey.
    Die Wolken über dem Wasser bildeten eine niedrige dunkle Decke, fast wie im Theater, die schrägen Streifen aus Regen und Licht ein Bühnentrick, alles in Bewegung. Es war wunderschön und anders jetzt aus der Distanz, von dieser warmen, trockenen, luxuriösen Warte. Geld war nicht so übel. Vielleicht sollte er noch mal über sein Anthropologiestudium nachdenken. Das Zelt war ein Vorgeschmack auf sein ganzes Leben, wenn er diesen brotlosen Weg einschlug.
    Er legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Er hatte schrecklich geschlafen, die untere Hälfte seines Schlafsacks bei jedem Regen nass. Die Couch unglaublich bequem.
    In seinem Traum wurde Carl von Affen geschüttelt, versuchte, sich in seinem sehr hohen Baum an Äste zu klammern, aber es war Rhoda, die ihn befummelte, und als er aufwachte, sah er den Sirup auf sich und der Couch, einen Honigsabber, der sich überall verteilt hatte. Rhoda wischte sein Hemd und seine Jeans mit einem feuchten Geschirrhandtuch ab.
    Entschuldigung, sagte Carl panisch.
    Schon okay, sagte Rhoda. Ist doch lustig. Lass mich noch ein bisschen wegwischen, sonst tropfst du beim Aufstehen.
    Gott, sagte Carl. Was bin ich für ein Blödmann.
    Schon gut, Schätzchen. Dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.
    Ah, sagte er. Es ist überall.
    Ja.
    Dann konnte er endlich aufstehen und half ihr, die Couch abzutupfen, die zum Glück dunkelbraun war.
    Es tut mir so leid, sagte er.
    Wirklich. Es ist in Ordnung.
    Also trollte sich Carl, um erneut zu duschen und

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