Die Unermesslichkeit
Sie widmete sich wieder dem Kochen und ließ die anderen in ihrem eigenen sonderbaren Topf asozialer Verhaltensweisen schmoren. Sie schnitt zwei Tomaten, eine halbe rote Zwiebel und streute ein paar Pinienkerne hinein. Und kam zu dem Schluss, dass sie Monique überhaupt nicht mochte. Monique mochte sie am wenigsten von den dreien. Ihren komischen Ton und wie sie Jim aufgefordert hatte,mit ihr nach Seward zu fahren. Als hätte sie über ihre Beziehung zu bestimmen. Wie alt war sie überhaupt? Zweiundzwanzig oder was, und tat, als gehörte ihr die ganze Welt?
Während sie in der Küche hantierte, spitzte sie ein Ohr, und drüben herrschte nur Schweigen. Absolutes Schweigen. Unglaublich. Wer macht so was? Und als das Essen fertig war und alle zu Tisch saßen, fing Monique an zu reden.
Rhoda hat mir heute eine tolle Bärengeschichte erzählt, sagte sie. Hast du auch eine Bärengeschichte auf Lager, Jim?
Rhoda gefiel nicht, wie Monique Jim sagte. Herablassend. Und aus irgendeinem Grund ließ er es geschehen.
Eigentlich nicht, sagte er. Habe ich irgendwelche guten Bärengeschichten auf Lager, Rhoda?
Natürlich, Schatz. Du hast die am Fluss, mit dem Lachs auf dem Rücken. Die erzählst du doch immer.
Ach ja, sagte Jim. Aber was ist mit dir, Carl? Hast du hier schon einen Bären gesichtet?
Nein. Ich wollte gern. Wir sind sogar hoch nach Denali, haben aber keinen gesehen.
Wie schade, sagte Rhoda. In Denali gibt’s viele Bären. Kaum zu glauben, dass ihr dort keinen gesehen habt. Das ist richtig Pech.
Sieht mir ähnlich, sagte Carl.
Aber du bist hier in Alaska. Das ist Glück. Und zusammen mit Monique.
Ah, sagte Monique. Das ist aber süß. Danke, Rhoda.
Also wendete sich das Blatt doch noch. Rhoda freutesich. Monique wirkte jetzt viel fröhlicher, freundlicher, und die Unterhaltung verlief normal, vier Menschen, die einen Abend genießen, so wie es sein sollte. Ohs und Ahs zum Karibu. Von meiner Mutter eigenhändig erlegt, sagte Rhoda. Zum Nachtisch überraschte sie schließlich alle mit selbstgemachtem Tiramisu.
Die Löffelbiskuits habe ich gekauft, sagte sie. Aber der Rest ist von mir.
Das ist grandios, sagte Monique. Was für ein Schmaus.
Ja, danke, Rhoda, sagte Carl. Viel besser als draußen im Zelt.
Nur Jim war relativ still, was ihm gar nicht ähnlich sah. Er hatte zwei Gläser Wein getrunken, da wurde er normalerweise redselig.
Jim ist gerade aus Juneau zurück, sagte Rhoda. Hat mit einem Kollegen verhandelt, der vielleicht in die Praxis einsteigt.
Wie war Juneau?, fragte Monique.
Ach, Juneau ist schön, sagte Jim. Der Mendenhall-Gletscher. Hübscher Spaziergang um den See am Fuß des Gletschers, und wenn man links hochgeht, kann man zum Teil auf ihm laufen.
Ich würde gern mal auf einen Gletscher, sagte Monique. Vielleicht mit einem Hubschrauber oben landen, mich hinlegen und Schneeengel spielen.
Klingt gut, sagte Jim, aber Rhoda merkte, dass etwas nicht stimmte, etwas hakte. Sie sah Carl an, aber Carl war vom Tiramisu gebannt, leckte tief versunken winzige Häppchen von der Spitze des Dessertlöffels. Er hatte es irgendwie mit Essen.
Carl, sagte Monique. Du brauchst das Tiramisu nicht zu vögeln. Du kannst es einfach essen. Dann zwinkerte sie Rhoda zu.
Carl sah nicht einmal hoch. Danke, Monique, sagte er. Mehr Genuss in diesem Schälchen, als ich je mit dir hatte.
Aua, sagte Jim. Und lachte.
Das ist nicht nett, Jim, sagte Rhoda.
Entschuldigung.
Hm, sagte Monique. Negative Bemerkungen war sie offensichtlich nicht gewohnt. Rhoda freute sich insgeheim ein wenig.
Wie wär’s mit einem Spiel?, schlug sie vor. Wir könnten alle zusammen was spielen.
Habt ihr Twister?, fragte Monique.
Carl sah hoch. Twister?
Haben wir, sagte Rhoda. Sie ging zur Abstellkammer und wühlte dort herum. Lasst einfach alles stehen. Ich spüle nachher ab.
Sie zogen ihre Schuhe aus und setzten sich alle um die Twister-Matte.
So retro, sagte Monique mit Blick auf die vielen farbigen Punkte. Herrlich.
Sie warfen die Drehscheibe an und setzten nacheinander ein. Jim geriet in eine heikle Lage, Hände weit weg von den Füßen. Schnell, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. Blick zur Decke, Hände nach hinten, Po bedenklich absinkend.
Rhoda lachte. Sie hatte einen leichten Stand in einer Ecke, auf zwei Füßen und einer Hand.
Dann drehte Carl und musste über Jim hinüber, mit einer ausgedehnten Liegestütze. Darüber musste Monique lachen.
Danke, Monique, sagte er.
Monique musste mit beiden Händen vorwärts
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