Die Unermesslichkeit
sich umzuziehen, aber Monique war inzwischen wach, fragte, was vorgefallen sei, und lachte natürlich darüber.
Danke, sagte er. Jetzt fühle ich mich riesig.
Nicht schmollen, sagte sie, aber er schloss die Badezimmertür und ging unter die Dusche. Er hatte so ziemlich genug von Monique.
Rhoda machte noch etwas sauber, dann stellte sie eine Platte mit Käse, Oliven, Räucherlachs, Crackern, Kapern und verschiedenen Tapenaden zusammen. Öffnete eine Flasche Shiraz und einen Pinot gris. Sie tischte gern auf. Sie summte »A Spoonful of Sugar« aus Mary Poppins, dem Lieblingsfilm ihrer Kindheit. Sie konnte sich durchaus vorstellen, wie sie Kindern Platten mit Leckereien hinstellte.
Als Jim zur Tür hereinkam, hüpfte sie auf ihn zu, legte ihm die Arme um den Hals und gab ihm einen Kuss. Ich habe eine Überraschung, sagte sie.
Eine Überraschung?
Gäste zum Abendessen. Ein bisschen Gesellschaft. Ich habe eine Käseplatte gemacht.
Wirklich? Wer denn?
Sie werden dir gefallen, sagte Rhoda. Zumindest sie kennst du schon. Sie führte Jim ins Wohnzimmer, wo er seine Jacke auf die Couch warf und sich hinsetzte.
Der Regen ist heute irgendwie schön, sagte sie. Carl hat vorhin hier gesessen und ihn beobachtet.
Carl?
Rhoda schenkte ihm ein Glas Shiraz ein. Ja, er ist hier mit seiner Freundin Monique. Du kennst sie vom Coffee Bus.
Da stand Jim auf, was seltsam war. Mit offenem Mund drehte er sich zu ihr um, dann zurück zum Fenster.
Was ist denn?, fragte Rhoda.
Es folgte eine Pause, und sie brachte ihm seinen Wein. Stimmt irgendwas nicht?
Nein, sagte Jim. Aber er sah ganz durcheinander aus. Mir ist es nur lieber, außerhalb der Praxis keine Patienten zu sehen. Monique hat sich eine Füllung machen lassen.
Ach, das tut mir leid, sagte Rhoda. Tut mir leid, Jim. Und sie umarmte ihn, strich ihm über den Rücken.
Schon gut, sagte er.
Jim setzte sich wieder auf die Couch, und Rhoda machte sich ans Essen, Karibu-Steaks von ihrer Mutter. Sie legte sie in einen Bräter mit ganzen Knoblauchzehen, Maui-Zwiebeln, Olivenöl, Rosmarin, Balsamico und schwarzem Pfeffer. Die Kartoffeln kochten, und sie würde Broccoli dünsten.
Monique kam aus dem Gästezimmer, gefolgt von Carl. Sie war groß und auf gewisse Weise faszinierend,irgendwie, obwohl sie eine komische kleine Nase hatte. Wie eine Elfe, deren Körper zu groß geworden war. Carl konnte da nicht mithalten, war unsicher und verzagt. Rhoda gab ihrer Beziehung höchstens noch ein paar Wochen.
Hey, sagte sie. Trinkt einen Schluck Wein. Und hier bei Jim ist eine Käseplatte. Wir können alle zusammen den Regen betrachten.
Hi Jim, sagte Monique, und Jim stand auf, um ihr und Carl die Hand zu schütteln. Allerdings sagte er nichts, was seltsam war. So viel älter als die beiden. Da gab es keinen Grund zur Verlegenheit.
Jim hat erzählt, dass du eine Patientin von ihm bist, Monique. Rhoda sagte das nur zur Auflockerung.
Stimmt, sagte Monique. Die Entenfüße an der Decke haben mir gefallen.
Jim lachte. Die habe ich für die Kinder angeklebt.
Für die Jäger, sagte Monique, und aus irgendeinem Grund herrschte erneut Schweigen.
Setzt euch, sagte Rhoda. Kann ich euch einen Wein einschenken? Ich habe Shiraz und Pinot gris.
Shiraz, bitte, sagte Monique. Und für Carl bloß Saft oder Wasser. Er trinkt nicht.
Danke, Monique, sagte Carl.
Was? Du trinkst doch nicht.
Schon, aber ich bin nicht sechs.
Jetzt ist der passende Moment, deine Mannhaftigkeit unter Beweis zu stellen.
Leck mich, Monique.
Rhoda lachte, wiederum bemüht, die Situationaufzulockern. Klingt, als hätte das Zeltleben bereits Spuren hinterlassen.
Genau, sagte Carl. Wie war das Zelt für dich, Monique? Ein bisschen unbequem?
Carl ist einfach nur sauer, weil er ein bisschen allein gelassen wurde.
Und wo warst du?, fragte Carl.
Ich war in Seward. Warst du schon mal in Seward, Rhoda?
Es nervte Rhoda, dass sich die beiden über ihrem Wein und Käse stritten, und sie verstand nicht, weshalb sich Jim so trottelig aufführte, dennoch nahm sie die Gelegenheit wahr, einen anderen Ton anzuschlagen. Ich liebe Seward, sagte sie. Wunderschöne Bucht, und all die Berge drumherum. Ich bin schon Jahre nicht mehr dort gewesen. Wir sollten mal hinfahren, Jim.
Genau, sagte Monique, du solltest mal mit Rhoda nach Seward fahren.
Klar, sagte Jim. Er war irgendwie weggetreten oder vielleicht auch nur müde. Seward klingt prima, sagte er.
Und das war’s. Erneutes Schweigen. Rhoda hätte sie am liebsten alle drei umgebracht.
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