Die Unermesslichkeit
gehen, als sie dran war, aber das war nicht schwer.
Dann bekam Rhoda eine unmögliche Anweisung. Sie musste ihre freie Hand über Monique setzen und landete bei dem Versuch mit dem Gesicht direkt vor Moniques Hintern, was sie gar nicht erheiterte.
Ich gebe auf, sagte Rhoda. Das kann ich nicht.
Jim sackte zusammen. Gott sei Dank, sagte er.
Das war mir zu sehr Siebzigerjahre, sagte Rhoda. Oder Sechziger, was auch immer. Aber wir haben noch ein altes Spiel, das vielleicht ganz lustig wäre.
Also spielten sie »Steck dem Elch den Schwanz an«, taumelten, schwärmten mit ihren Wurfpfeilen in verschiedene Richtungen aus und trafen nichts von dem, was sie anpeilten. Und irgendwann war es wie eine Party. Rhoda war zufrieden. Am Ende packte sie die Spiele ein und machte sich an den Abwasch.
Ich helfe dir, sagte Monique. Es war schon spät, und Jim und Carl gingen in ihre Schlafzimmer.
Danke, sagte Rhoda, der Monique etwas sympathischer wurde. Sie war zwar zickig, konnte aber auch reizend sein.
Rhoda wusch ab, Monique spülte und trocknete ab. Ihr habt so ein tolles Haus hier, sagte Monique.
Ja, ich liebe es. Von so einem Haus habe ich immer geträumt.
Wie lange seid ihr denn schon zusammen, Jim und du?
Etwas über zwei Jahre, seit einem Jahr wohnen wir zusammen.
Wie habt ihr euch kennengelernt?
Ich war seine Patientin.
Ah.
Jim hat mich zuerst nicht sonderlich beeindruckt, aber nach einer Weile mochte ich ihn. Er ist ein guter Kerl. Solide und verlässlich. Er hat ein gutes Herz.
Ja, sagte Monique. Er wirkt nett. Wollt ihr heiraten?
Auf diese Frage war Rhoda nicht so recht gefasst. Sie fühlte sich bedrängt. Monique meinte es aber nett, und das wollte sie nicht vermasseln. Schon, sagte sie schließlich. Wir reden darüber, es ist aber noch nicht offiziell. Wir lassen uns Zeit. Planen, was für eine Hochzeit wir gerne hätten.
Und was stellt ihr euch vor?
Na ja, sagte Rhoda, wider Willen etwas aufgeregt. Ich denke an Hawaii. Kauai, Garden Island.
Kauai ist schön, sagte Monique.
Warst du schon mal da?
Ja, ein paar Mal. Bin die Na-Pali-Küste entlanggewandert und mit dem Kajak abgefahren.
Die ganze Küste?
Man fährt nur in eine Richtung, mit der Strömung. Das ist nicht so heftig.
Wow, sagte Rhoda. Vielleicht können wir das auf unserer Hochzeitsreise machen.
Das würde dir gefallen. Es ist wunderschön.
Rhoda bereute ihre anfängliche Abneigung gegen Monique. Als sie mit dem Abwasch fertig waren, umarmte sie sie zur Nacht. Echt schade, dass ihr nicht länger in Alaska seid. Es wäre schön, wenn wir mehr unternehmen könnten.
Ja, sagte Monique. Das fände ich auch nett.
Rhoda machte das Licht im Schlafzimmer an und schaltete es gleich wieder aus, weil Jim bereits schlief. Sie zog sich aus, stieß in der Dunkelheit hier und da an, noch beschwipst vom Wein, und fiel aufs Kissen.
Jim lag neben ihr wach und lauschte ihrem Atem, wartete, bis er die kleinen Zuckungen ihrer Hand spürte, die darauf hindeuteten, dass sie eingeschlafen war. Zur Sicherheit wartete er danach noch ein wenig. Monique hatte gesagt, sie würden sich im Wohnzimmer treffen. Natürlich war er sauer, aber verzichten wollte er auch nicht.
I rene lag wach, voller Panik. Der Schmerz war unberührbar geworden, und das bedeutete, keine Gedanken mehr, kein Schlaf mehr, keine Vernunft mehr. Sie musste aufstehen, konnte nicht einfach hier liegen.
Sie wollte noch eine Tramadol einwerfen, aber sie hatte in einer knappen Stunde bereits vier genommen und fürchtete eine Überdosis. Sie wanderte durchs Haus, schritt in der kleinen Küche auf und ab, hinüber zum Kamin, ins Schlafzimmer, zurück in die Küche, den Kopf in beiden Händen, drückte, flehte, es möge aufhören. Sie war nicht gläubig, sprach aber unversehens so etwas wie ein Gebet. Bitte, flehte sie.
Sie ging hinaus, in die Kälte, klarer Nachthimmel. Nur in Pyjama und Stiefeln. Sie hoffte, die Kälte möge den Schmerz irgendwie dämpfen, ging die Auffahrt zur Straße hinunter, Kiesknirschen unter den Stiefeln. Ruhig heute Nacht, ohne Wind. Sie fröstelte.
Die Bäume ringsum wirkten fast wie Publikum, das dort stand und sie beobachtete. Wachposten im Schatten, versteckt in einer mondlosen Nacht. Sie hatte sich nie an diesen Ort gewöhnt, ihn nie als Zuhause empfunden. Der Wald fühlte sich bösartig an, obwohl sie ihn gut kannte, jeden Baum, jeden Strauch und jede Blume beim Namen. Tagsüber funktionierte es, sie zubenennen, aber nachts wurde der Wald wieder zu einer
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