Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
Vom Netzwerk:
Reihe von Anschlussseminaren für kleinere Gruppen von Vice Presidents und Managing Directors ab. Das Seminar, an dem ich teilnahm, wurde von Brett Silverman geleitet, dem Partner, der mich direkt nach dem Zusammenbruch von Bear Sterns im Frühling 2008 nach Asien begleitet hatte (und der das Ulk-Video für die Weihnachtsfeier gedreht hatte). Er war drei Monate vor mir nach London geschickt worden, auch, wie einige behaupten, um den Versuch zu unternehmen, die dortige Firmenkultur wieder auf Vordermann zu bringen.
    Ich fand, dass es ein recht gutes Seminar war. Silverman sagte: «Bei der Befragung der Kunden zeichnet sich ein klares Bild ab. Sie vertrauen ihren persönlichen Kundenberatern im Sales-Bereich. Aber Goldman Sachs als Unternehmen insgesamt vertrauen sie nicht. Wir müssen diese Wahrnehmung verändern.»
    Als nach der Sitzung fast alle den Raum verlassen hatten, ging ich zu Silverman und sagte ihm, diese Seminare für Vice Presidents seien bestimmt sehr hilfreich, aber die Teamleiter, die Managing Directors, müssten die gewonnenen Erkenntnisse auch in die Praxis umsetzen, indem sie selbst mit gutem Beispiel vorangingen. Ich fuhr fort: «Junge Nachwuchskräfte werden sich nicht integer verhalten, wenn sie nicht sehen, dass sich die Managing Directors in dieser Hinsicht vorbildlich verhalten. Die Managing Directors müssen zur Verantwortung gezogen werden.»
    Er sah mich nur ausdruckslos an und nickte wortlos, fast roboterhaft.
     
    Nach dem Geschäftspraxis-Seminar verhielten sich viele Sales-Manager verschiedener Produktgruppen nach meinen Beobachtungen so, als hätten sie dort nicht aufgepasst. Bei den Teambesprechungen sagten sie genau das, was sie schon immer gesagt hatten: «Wie viele Elefanten-Geschäfte haben wir diese Woche gemacht? Welche Region hat die meisten an Land gezogen? Auf welche strukturierten Produkte sollten wir uns konzentrieren, um die margenstarken Abschlüsse zu maximieren? Welche ‹Äxte› müssen wir aus den Büchern rauskriegen?»
    Die «Äxte» bereiteten mir Kopfzerbrechen. Eine «axe» ist im Goldman-Jargon eine Position, die das Unternehmen loswerden will, oder eine riskante Position, die es stützen will. Die Firma ist im Grunde davon überzeugt, dass ein bestimmtes Ereignis eintreffen wird, trotzdem rät sie dem Kunden, auf das Gegenteil zu setzen, damit die Firma bei dem Trade die Gegenseite einnehmen und eine Art sichere Eigenwette umsetzen kann.
    Man könnte dies mit dem Verkauf von Donuts vergleichen: Angenommen, Sie wären Eigentümer eines Donut-Ladens der Kette Krispy Kreme und Sie hätten zu viele Donuts auf Lager und Sie müssen sie verkaufen, bevor sie schlecht werden. Um den Absatz anzukurbeln, könnten Sie die Donuts als «fettfrei» anpreisen. Das wäre natürlich gelogen, aber es würde Sie nicht ins Gefängnis bringen. Man könnte sie verklagen, aber wer würde das schon tun? Plötzlich würden die Leute in Ihren Laden strömen, um diese köstlichen Krispy-Kreme-Donuts zu kaufen, wobei die Kunden sich selbst einreden, dass eine so angesehene Marke wie Krispy Kreme schon die Wahrheit sagen wird, die Donuts also tatsächlich fettfrei sind. «Äxte» gleichen überschüssigen Krispy-Kreme-Donuts, die Goldman nicht länger auf Lager halten will und die das Unternehmen daher seinen Kunden – mit nicht immer völlig zutreffenden Informationen – schmackhaft zu machen versucht.
    Bei unseren täglichen Frühbesprechungen in London verblüffte es mich, wie oft sich unsere allgemeine Lageeinschätzung änderte. Unsere Meinungsumschwünge erfolgten so häufig, dass sie nicht in der Sache begründet sein konnten. Das tagesaktuelle Lagebild basierte für gewöhnlich auf dem, was die Trader in ihren Büchern hatten und was sie «loswerden» (verkaufen) oder «an Land ziehen» (kaufen) wollten. Oft schickten sie Strategen oder Quants zu den Verkäufern, um sie dazu zu überreden, dass diese ihrerseite die Kunden dazu überredeten, in Aktien oder andere Produkte zu investieren, die man loswerden wollte. Für die erfolgreiche Bereinigung solcher unerwünschter Positionen wurden manchmal doppelte GCs gutgeschrieben. Die Argumentation der Strategen konnte dabei das genaue Gegenteil dessen sein, was wir wirklich dachten – nur weil wir wollten, dass Kunden bei unseren Handelsgeschäften die Gegenseite einnahmen.
    Im Jahr 2007 war Abacus die «axe du jour» . Bei meiner Ankunft in London 2011 lautete der «Tagesbefehl», Kunden dazu zu überreden, Verkaufs-oder Kaufoptionen

Weitere Kostenlose Bücher