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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
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sich hinter mich und legte mir den Arm auf die Schulter. Dann zeigte er auf den Bildschirm und sagte: «Also gut, sehen wir zu, wie wir da rauskommen. Kaufen wir sie zurück.» Das machten wir zusammen. Wir prüften alles doppelt und dreifach. Wir stellten die irrtümlich eingegangene Position glatt und führten das Geschäft korrekt aus. In der Zwischenzeit (das Ganze hatte vielleicht eine Minute gedauert, mir kam es allerdings erheblich länger vor) hatte sich der Markt nur um einen Tick bewegt. Mein Fehler hatte Goldman Sachs 80 Dollar gekostet.
    Hätte der Markt sich um ein Prozent bewegt, hätte der Verlust 8000 Dollar betragen können. Wären es ein paar Prozent mehr gewesen, hätten es auch 80 000 Dollar sein können. Immer noch nicht die Welt, aber ein Fehler war ein Fehler. Ich leistete Abbitte bei Corey. Ich wollte, dass er stolz auf mich war, und meinte es ernst. Er reagierte freundlich, aber er nahm die Sache ebenfalls ernst. «Schon gut», sagte er. «Wir kriegen das hin. Wir lernen daraus – und jetzt müssen Sie das Fehlermemo schreiben.»
    «Muss ich es Daffey sagen?», fragte ich.
    Corey nickte. «Gehen Sie zu ihm und bringen Sie’s hinter sich.»
    Das tat ich. Daffey hörte mir aufmerksam zu, als ich ernst und zerknirscht die Geschichte von dem Patzer erzählte, der 80 Dollar gekostet hatte. «Es ist gut, dass Sie es mir gesagt haben», meinte er schließlich. «Passen Sie einfach auf, dass es nicht noch einmal vorkommt.»
    Als ich mich bedankte, merkte ich, dass er ein Lächeln unterdrückte. «Keine Sorge», meinte er.
    Ich lächelte nicht. Ich war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass mir das nicht noch einmal passierte.
    Es gab Analysten, die solche Gespräche mit Daffey unter weit unangenehmeren Umständen führen mussten. Ich erinnere mich noch an einen Fehler, der eine Million Dollar gekostet hatte.
    Was damals geschehen war, war der schlimmste Albtraum jedes Derivatehändlers. Der Fehler wurde erst am Folgetag bemerkt. Nehmen wir an, der Kunde – Manager einer Pensionskasse, meinetwegen aus Kansas – sagt: «Kaufen Sie mir über Nacht, wenn der französische Markt öffnet, 10 CAC-Futures.» Sie führen die Order aus. Am nächsten Morgen merken Sie, dass Sie statt 10 Stück 10 000 Stück gekauft haben. So einen Tippfehler bezeichnet man an der Wall Street als «fat finger» – wenn man mit dem «dicken Finger» statt einmal gleich dreimal auf die Null drückt.
    Als der betreffende Analyst am Tag darauf zur Arbeit erschien, hatte die Europäische Zentralbank über Nacht die Zinsen angehoben, und der Markt hatte um fünf Prozent angezogen. Für den Kunden bedeutete das eine Million Dollar Verlust, was er natürlich nie hingenommen hätte. Also musste Goldman Sachs dem Kunden die Million erstatten. Es war schließlich nicht sein Fehler gewesen, sondern der der Firma.
    Der Analyst wurde für diesen Fehler aber nicht entlassen. Tatsächlich unterläuft fast jedem Analysten in seinen ersten Monaten irgendein größerer Schnitzer. Das wird akzeptiert. Wenn das im Anschluss noch zwei-oder dreimal vorkommt, sieht die Sache schon anders aus.
    Meine 80-Dollar-Panne sollte meine letzte bleiben – während meiner gesamten beruflichen Laufbahn.
    Detailversessen war ich schon immer gewesen. Corey brachte mir bei, nachgerade paranoid zu sein. «Es ist besser, etwas richtig zu machen und zehn Sekunden länger zu brauchen, als schnell fertig zu werden», erklärte er mir. «Ärgert sich der Kunde, weil Sie so lange brauchen, sagen Sie ihm einfach, dass Sie sich so viel Zeit lassen, damit auch alles stimmt. Überprüfen Sie immer alles dreifach – einmal geprüft, zweimal geprüft, richtig gemacht.»
    Corey lehrte mich, wie ein Trader zu denken und zu handeln: schnell, aber genau. So war es zum Beispiel entscheidend, die Multiplikatoren zu kennen, die zur Berechnung des Nominalwerts (des gesamten finanziellen Risikos) eines Futures-Kontrakts herangezogen werden. Das bläute mir Corey ein: Überprüf die Multiplikatoren immer dreifach – und zwar mit dem Kunden. War diesem klar, dass er im Begriff stand, für eine Milliarde Dollar zu kaufen oder zu verkaufen? Oder hatte er falsch multipliziert? Soll alles schon vorgekommen sein.
    Corey stellte mich allen Maklern vor, mit denen wir in den Pits der verschiedenen Terminbörsen zusammenarbeiteten – neben der Merc war dies das Chicago Board of Trade, die Chicago Board Options Exchange, die American Stock Exchange (AMEX), die Pacific Exchange an der

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