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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
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Dauerschlagzeile ein: «WEITE GEBIETE IM NORDOSTEN OHNE STROM … WARTEN AUF BERICHTE DER FEMA …»
    Es war ein grässlicher Moment. Der 11. September 2001 lag noch keine zwei Jahre zurück. Die USA waren im Frühling im Irak einmarschiert. Und wir befanden uns im neunundvierzigsten Stock eines der höchsten Gebäude im Zentrum von Manhattan. Ironischerweise ging gerade das Sommerpraktikantenprogramm zu Ende. Ich war für mehrere Teilnehmer zuständig, die meiner Abteilung zugewiesen waren. Sie wirkten verängstigt. Ich schickte sie nach Hause. Alle rannten zu den Aufzügen. Manche nahmen die Treppe, weil ihnen die Vorgänge Angst machten.
    Der Vorfall hätte zu keinem unpassenderen Zeitpunkt kommen können. Erstens ereignete er sich an einem der eher seltenen Tage, an denen Corey nicht im Büro war. Ich war als Einziger im ganzen Handelssaal mit seinen sechshundert Mitarbeitern für den Handel mit Futures-Kontrakten zuständig. Und zweitens schlossen die Futures-Märkte gerade. Die Zeit zwischen 16 : 15 Uhr und 16 : 30 Uhr benötigte die Mercantile Exchange für Buchhaltungszwecke. Wer auf den Märkten schnell reagieren will, handelt nicht mit einzelnen Aktien oder Anleihen – er kauft oder verkauft Futures-Kontrakte, weil sie die liquidesten, transparentesten Instrumente sind, die zur Verfügung stehen. Zwischen 16 : 15 Uhr und 16 : 30 Uhr mussten die Investoren zwangsläufig eine Auszeit nehmen. Der Handel war ausgesetzt.
    Und genau in dieser Viertelstunde kamen die ersten schnellen Reaktionen. Schon von 16 : 10 bis 16 : 15 Uhr hatte ich auf meinem Bildschirm gesehen, dass Futures nachgaben – die Investoren verkauften. An der Wall Street wird die Wahrnehmung größerer Ereignisse unter anderem durch einen Blick auf die Futures beurteilt. Setzen diese zum Sturzflug an, bedeutet das, dass der Markt wirklich Angst bekommt. Dieser Markt war angstgesteuert. Die Telefone begannen zu klingeln. Kunden wollten wissen: «Seid ihr da, wenn wir reagieren möchten, sobald die Märkte um 16 : 30 Uhr wieder aufmachen?» Und: «Wir brauchen Sie an Ihrem Platz!»
    Über das Lautsprechersystem plärrte immer wieder dieselbe Ansage: «Bitte verlassen Sie ruhig das Gebäude …» Die meisten meiner Kollegen waren bereits fort. Es drohte ein Chaos. Jemand musste bleiben. Um 16 : 30 Uhr waren im neunundvierzigsten Stock nur noch Michael Daffey und ich. Der Handelssaal war wie ausgestorben.
    Während der Futures-Handel ausgesetzt war, hatte ich mit mehreren Kunden gesprochen. Sie redeten von großen Transaktionen, die sie ausführen wollten – richtig dicken Geschäften –, sobald die Märkte wieder geöffnet waren. Alle wollten verkaufen – shorten, weil sie davon ausgingen, dass der Grund für den Stromausfall ein Terroranschlag war. Insbesondere ein Kunde, ein Hedgefonds, wollte ein sehr umfangreiches Geschäft über die Bühne bringen: über S&P-Futures für 2 Milliarden Dollar. Der Verkauf sollte nicht über E-Mini-Kontrakte erfolgen, sondern über ein weniger liquides Produkt – einen sogenannten Big-Futures-Kontrakt. Diese großen Kontrakte hatten das fünffache Volumen, mit 250 000 Dollar pro Kontrakt statt 50 000 Dollar beim E-Mini. Und sie waren viel unhandlicher. E-Mini-Kontrakte waren erfunden worden, um Investoren die Möglichkeit zu geben, wendiger zu agieren und in kleineren Einheiten zu handeln. Elektronisch konnten sie rund um die Uhr gehandelt werden. Es war, als plane der Kunde eine Flucht im Auto und hatte die Wahl zwischen seinem vertrauten alten, klapprigen Toyota und einem brandneuen Lexus. Im Grunde sagte der Kunde: «Ich möchte uns lieber mit dem alten Toyota hier rausbringen, weil wir so daran gewöhnt sind.» Wir Fachleute wussten aber, dass er mit dem Lexus viel besser bedient wäre, weil er sich damit geschickter durchs Gewühl manövrieren könnte und schneller ans Ziel käme. Nebenbei bot dieser auch noch überlegene Sicherheitsmechanismen … Darin lag der Unterschied. Der Kunde wollte mit einem Produkt handeln, das ihm vertraut war, das aber nicht sehr funktionell war. Außerdem würde die Transaktion auf den Märkten Folgen zeitigen, die ihm am Ende schaden konnten.
    Ich musste einen Partner hinzuziehen.
    Ich ging zu Daffeys Schreibtisch, der vielleicht zwanzig Meter von meinem entfernt stand, und sagte: «Gleich öffnet der Markt, und dieser Kunde will für 2 Milliarden S&P-Futures verkaufen, aber mit dem falschen Kontrakt. Ich habe ihm das klar und deutlich gesagt – dass es nicht in seinem

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