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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
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daher um Mitternacht in den Computerraum, loggte mich auf der Website ein und drückte immer wieder die «Aktualisieren»-Taste, bis die magische Schaltfläche angezeigt wurde. Ich klickte sie blitzschnell an und hatte meinen Gesprächstermin. Das Bewerbungsgespräch fand im Career Center auf dem Campus statt.
    Das Gespräch gestaltete sich erfreulich – aus zwei Gründen. Zum einen hatte ich sofort einen guten Draht zu der Frau, die es führte. Damals wusste ich nur wenig über Finanzwirtschaft, doch wir unterhielten uns fast ausschließlich über persönliche Dinge, und zwischen uns stimmte die Chemie. Sie stellte mir keine heiklen Fragen. Zum anderen hatte ich mich sehr sorgfältig vorbereitet. Ich hatte Goldman Sachs – Erfolg als Unternehmenskultur gelesen, eine Geschichte der Firma von Ex-Goldman-VP Lisa Endlich. Auch hatte ich mit mehreren Kommilitonen gesprochen, die das Praktikum im vorigen Sommer absolviert hatten.
    Ich war also gerüstet, als mir meine Gesprächspartnerin die alles entscheidende Frage stellte: Warum ich für Goldman Sachs arbeiten wollte? «Weil es das beste und angesehenste Unternehmen der Welt ist, weil ich mir selbst ehrgeizige Ziele gesteckt habe und weil mich das Finanzgeschäft begeistert. Die Märkte faszinieren mich», antwortete ich. Ich erzählte ihr von meinem Praktikum bei Paine Webber in Chicago, erklärte aber, dass ich echte Wall-Street-Erfahrung sammeln wollte. Und das konnte ich am besten bei Goldman Sachs. Was ich ihr sagte, entsprach hundertprozentig der Wahrheit. Trotzdem war ich nicht sicher, ob ich die nächste Hürde nehmen würde, denn von den fünfzehn Bewerbern, die zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden waren, würden nur drei oder vier weiterkommen.
    Doch ich gehörte dazu. Am nächsten Tag tönte aus meiner Mailbox: «Sie haben es in die nächste Runde geschafft. Ihnen steht ein Supertag in San Francisco bevor.» Damit war aber nicht gemeint, dass ich mir in Fisherman’s Wharf ein Anchor Steam Beer nach dem anderen genehmigen durfte. Vielmehr wartete ein Marathon von mehreren dreißigminütigen Gesprächen in der dortigen Goldman-Sachs-Niederlassung auf mich. Diese Feuerprobe heißt an der Wall Street «Supertag».
    Ich hatte damals kein Auto, aber ich war an der Uni als «RA», als «Resident Advisor», aktiv, zusammen mit fünf weiteren «RA»s (wir betreuten die Studienanfänger in Studentenwohnheimen). Wir wurden gute Freunde, und einer von ihnen lieh mir für gewöhnlich sein Auto, wenn ich eins brauchte, einen klapprigen, fünfzehn Jahre alten roten Mazda mit Schaltgetriebe.
    Die Fahrt in die Stadt verlief an jenem Tag nicht ganz problemlos. Damals gab es noch kein Navi, sodass ich nach einer Karte fuhr, die bei offenen Fenstern wild in der Zugluft flatterte (eine Klimaanlage hatte ich natürlich ebenfalls nicht). Außerdem war ich ein ungeübter Fahrer, was die Sache nicht besser machte. Ich trug einen blauen Anzug und schwitzte. Es war der 10. März 2000 – der Tag, an dem der NASDAQ Composite auf dem Höhepunkt der Internetblase sein Allzeithoch von 5408,62 erreichte.
    Obwohl meine Nerven blank lagen, kam ich pünktlich und unversehrt in der California Street 555 in der Innenstadt von San Francisco an. Das Gebäude war das zweithöchste der Stadt. Aus den Goldman-Büros mit ihren raumhohen Fenstern rund um den vierundvierzigsten Stock hat man einen wirklich atemberaubenden Blick auf San Francisco und die Bucht. Es wirkte beeindruckend und einschüchternd zugleich.
    Beeindruckend war auch der erste Mensch, mit dem ich dort zusammentraf – aber durchaus nicht einschüchternd: eine tolle Frau, Senior Associate und ehemalige Stanford-Absolventin. Wie sich herausstellte, gehörte ihr Vater, ein ehemaliger Goldman-Sachs-Partner, dem Stiftungsrat meiner Universität an. Wir unterhielten uns sehr nett. Sie war gerade aus Südafrika zurück, wo sie ihre Flitterwochen verbracht hatte, und darüber sprachen wir. Ich war absolut überrascht, wie unverstellt und sympathisch alle waren, die ich an jenem Tag kennenlernte. Ich hatte schon Vorstellungsgespräche bei anderen Finanzunternehmen absolviert – der Deutschen Bank, Salomon Smith Barney. Die Leute, mit denen ich dort gesprochen hatte, hatten aalglatt gewirkt. Ihnen war es ganz offensichtlich mehr darum gegangen, mich bei falschen Antworten auf knifflige fachliche Fragen zu ertappen, statt mich kennenzulernen. Bei Goldman Sachs war das anders.
    Als Nächstes sprach ich mit einem Mitarbeiter direkt im

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