Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
sein.«
Nach seinen ersten Worten erschrak er plötzlich; der anfängliche Mut verließ ihn. Er wandte den Blick ab, um nicht die Verzweiflung in Marie-Claudes Gesicht zu sehen, die er mit seinen Worten bei ihr auszulösen meinte.
Nach einer kurzen Pause hörte er ein »Ich finde allerdings auch, ich sollte im Bilde sein.«
Die Stimme klang fest und Franz hob die Augen: MarieClaude war nicht im geringsten erschüttert. Sie glich immer noch der Frau, die am Vorabend mit Posaunenstimme gesagt hatte: »Dieser Schmuck ist scheußlich!«
Sie fuhr fort: »Wenn du schon den Mut hast, mir zu sagen, daß du mich seit einem Dreivierteljahr betrügst, kannst du mir auch verraten, mit wem?«
Er hatte sich immer gesagt, daß er Marie-Claude nicht weh tun durfte, um die Frau in ihr zu achten. Aber was war aus dieser Frau in Marie-Claude geworden? Mit anderen Worten, was war aus dem Bild seiner Mutter geworden, das er mit dem seiner Frau verband? Seine Mama, seine traurige, verletzte Mama mit zwei verschiedenen Schuhen an den Füßen, sie hatte MarieClaude verlassen; vielleicht nicht einmal verlassen, da sie niemals in ihr gewesen war. In einem plötzlichen Anfall von Haß wurde er sich dessen bewußt.
»Ich sehe keinen Grund, es dir zu verschweigen«, sagte er.
Da seine Untreue sie nicht verletzt hatte, würde es sie sicher verletzen zu erfahren, wer ihre Rivalin war. Er erzählte ihr deswegen von Sabina und sah ihr dabei ins Gesicht.
Etwas später traf er Sabina auf dem Flughafen. Die Maschine stieg immer höher und er fühlte sich immer leichter.
Er sagte sich, daß er nach neun Monaten endlich wieder in der Wahrheit lebte.
Für Sabina war es, als hätte Franz gewaltsam die Türen ihrer Intimität aufgebrochen. Als würden auf einmal Köpfe hereinschauen, der Kopf Marie-Claudes, der Kopf Marie-Annes, der Kopf des Malers Alan und der des Bildhauers, der sich immer den Finger hielt, die Köpfe aller Leute, die sie in Genf kannte. Gegen ihren Willen würde sie nun zur Rivalin einer Frau, die ihr völlig gleichgültig war. Franz würde sich scheiden lassen und sie in einem breiten Ehebett den Platz an seiner Seite einnehmen. Alle würden von fern oder nah zuschauen; sie würde vor allen irgendwie Theater spielen müssen; statt Sabina zu sein, würde sie die Rolle der Sabina spielen und überlegen müssen, wie man das machte. Die publik gemachte Liebe gewönne an Schwere, würde zur Last. Sabina krümmte sich schon im voraus unter dieser Schwere.
Sie aßen in einem Restaurant in Rom zu Abend und tranken Wein. Sie war einsilbig.
»Bist du mir wirklich nicht böse?« fragte Franz.
Sie versicherte, ihm nicht böse zu sein. Sie war noch immer verwirrt, wußte nicht, ob sie sich freuen sollte oder nicht. Sie erinnerte sich an den Moment, als sie sich im Schlafwagen nach Amsterdam getroffen hatten. Damals hatte sie vor ihm auf die Knie fallen und ihn bitten wollen, daß er sie notfalls mit Gewalt bei sich behielte und sie nie mehr gehen ließe. Sie hatte sich gewünscht, endlich dem gefährlichen Weg von Verrat zu Verrat ein Ende zu setzen. Sie hatte stehen bleiben wollen.
Nun versuchte sie, den Wunsch von damals so intensiv wie möglich heraufzubeschwören, um sich darauf zu berufen, sich daran festzuhalten. Vergebens. Der Widerwille war stärker.
Sie kehrten durch die abendlichen Straßen in ihr Hotel zurück. Mit all den lärmenden, schreienden, gestikulierenden Italienern um sie herum konnten sie wortlos Seite an Seite gehen, ohne das eigene Schweigen zu hören.
Sabina zog ihre Toilette im Badezimmer in die Länge, während Franz unter der Bettdecke auf sie wartete. Das Lämpchen brannte, wie immer.
Als sie aus dem Badezimmer kam, löschte sie das Licht. Es war das erste Mal, daß sie das tat. Franz hätte diese Geste besser beachten sollen. Er widmete ihr keine Aufmerksamkeit, weil das Licht für ihn keine Bedeutung hatte. Wie wir wissen, schloß er beim Lieben die Augen.
Und dieser geschlossenen Augen wegen hatte Sabina das Licht gelöscht. Sie wollte die gesenkten Lider keine Sekunde länger sehen. Die Augen sind das Fenster der Seele, sagt ein Sprichwort. Franz' Körper, der sich immer mit geschlossenen Augen auf ihr bewegte, war für sie ein Körper ohne Seele. Er glich einem jungen Tier, das noch blind war und hilflose Töne ausstieß, weil es Durst hatte. Dieser Franz mit seinen prächtigen Muskeln war beim Koitus wie ein riesiges Hündchen, das sie an ihrer Brust stillte. Übrigens hielt er ihre Brustwarze
Weitere Kostenlose Bücher