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Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Titel: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milan Kundera
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wollte doch weiterhin gut auskommen mit seiner Frau! Sich neben sie zu legen war auch nicht möglich. Er hörte bereits die ironische Frage, warum er denn nicht Sabinas Bett vorzöge.
    Schließlich mietete er ein Hotelzimmer.
    Am folgenden Tag klingelte er wieder von morgens bis abends vergeblich an Sabinas Tür.
    Am dritten Tag suchte er die Hausmeisterfrau auf. Sie wußte von nichts und verwies ihn an die Besitzerin, die das Atelier vermietete. Er rief sie an und erfuhr, daß Sabina vor zwei Tagen gekündigt hatte.
    Mehrere Tage lang versuchte er sein Glück, Sabina doch noch zu Hause anzutreffen, bis er die Wohnung einmal geöffnet vorfand. Drinnen standen drei Männer in blauen Overalls, die Möbel und Bilder in einen Möbelwagen  luden, der vor dem Haus stand.
    Er fragte sie, wohin sie die Möbel transportierten.  Sie antworteten, sie hätten strengste Anweisungen, die Adresse geheimzuhalten.
    Erst wollte er ihnen Geld zustecken, um ihnen das Geheimnis zu entlocken, hatte aber plötzlich nicht mehr die Kraft dazu. Er war gelähmt vor Trauer. Er verstand nichts, konnte sich nichts erklären und wußte nur, daß er auf diesen Augenblick gewartet hatte, seit er Sabina kannte. Es war geschehen, was geschehen mußte. Franz wehrte sich nicht dagegen.
    Er fand eine Wohnung in der Altstadt. Wenn er sicher sein konnte, weder Tochter noch Frau anzutreffen, ging er in seine frühere Wohnung, um Kleider und die wichtigsten Bücher zu holen. Er achtete darauf, nichts mitzunehmen, was Marie-Claude hätte vermissen können.
    Eines Tages entdeckte er sie hinter den Scheiben eines Cafes. Sie saß dort mit zwei anderen Damen, und ihr Gesicht, in das die ungezügelte Mimik längst schon viele Fältchen eingegraben hatte, war in temperamentvoller Bewegung.
    Die Damen hörten ihr zu und lachten ununterbrochen. Franz konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß sie über ihn redete. Sie hatte sicherlich erfahren, daß Sabina genau in dem Moment aus Genf verschwunden war, da Franz sich entschlossen hatte, mit ihr zu leben. Eine wahrhaft komische Geschichte! Er brauchte sich nicht zu wundern, daß er zum Gespött der Freundinnen seiner Frau wurde.
    Er kehrte in seine neue Wohnung zurück, wo er zu jeder vollen Stunde die Glocken der Sankt-Peters-Kathedrale läuten hörte. An diesem Tag wurde ihm von einem Kaufhaus ein Tisch geliefert. Er vergaß Marie-Claude und ihre Freundinnen. Sogar Sabina konnte er für einen Augenblick vergessen.
    Er setzte sich an seinen neuen Tisch. Er freute sich, ihn selbst ausgesucht zu haben. Zwanzig Jahre lang hatte er mit Möbeln gelebt, die nicht er ausgewählt hatte. Alles war von Marie-Claude eingerichtet worden. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er aufgehört, ein kleiner Junge zu sein und war selbständig geworden. Für den nächsten Tag hatte er den Schreiner bestellt, der ihm die Bücherregale anfertigen sollte.
    Franz war schon tagelang damit beschäftigt, seine Bibliothek zu entwerfen, ihre Ausmaße und ihren Standort festzulegen.  Plötzlich stellte er fest, daß er gar nicht unglücklich war.
    Sabinas Gegenwart war viel weniger wichtig, als er geglaubt hatte. Wichtig war die goldene Spur, die Zauberspur, die sie seinem Leben aufgedrückt hatte, diese Spur, die ihm niemand nehmen konnte. Bevor sie aus seinem Blickfeld verschwand, hatte sie die Zeit gefunden, ihm den Herkulesbesen in die Hand zu drücken, mit dem er all das aus seinem Leben gefegt hatte, was er nicht mochte. Dieses unverhoffte Glück, dieses Wohlgefühl, diese Freude an der Freiheit und an seinem neuen Leben, sie waren ein Geschenk, das sie ihm zurückgelassen hatte.
    Übrigens hatte er das Unwirkliche stets dem Wirklichen vorgezogen. Genauso wie er sich bei Demonstrationszügen (die, wie gesagt, nur Theater und Traum sind) besser fühlte als hinter dem Katheder, wo er seine Vorlesungen hielt, genauso war er glücklicher mit der Sabina, die sich in eine unsichtbare Göttin verwandelt hatte, als mit der Sabina, die mit ihm in der Welt herumgereist war und um deren Liebe er ständig hatte bangen müssen. Sie hatte ihm unerwartet die Freiheit eines Mannes gegeben, der allein lebt; sie hatte ihm den Reiz eines Verführers geschenkt. Er wurde attraktiv für Frauen; eine seiner Studentinnen verliebte sich in ihn.
    So hat sich die Szenerie seines Lebens in unglaublich kurzer Zeit vollkommen verändert. Eben noch hat er in einer großen, bürgerlichen Wohnung mit Dienstmädchen, mit einer Tochter und einer Ehefrau gelebt, nun

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