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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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hatte. Lennard bat Rike, sie alleine zu lassen, und die Zofe nickte bereitwillig.
    Sie war nett, die Rike, das fanden sie beide. Allerdings wusste sie vom Zofenwesen erstaunlich wenig, weshalb vor allem Ursel sich wunderte, warum Frau Mansel ihr diese Aufgaben übertragen hatte. Anfangs hatten sie heimlich über sie gelacht, weil sie nicht wusste, wie sie wen anzureden hatte. Ja, die Gnädige hatte sie korrekt mit gnädige Frau angesprochen, aber wenn sie von Herrn Mansel sprach, dann sagte sie immer: »Ihr Herr Gemahlsgatte hat gesagt …« Und die Haushälterin hatte sie einmal mit Jette angesprochen, obwohl das nur den Herrschaften vorbehalten war, und die sagten auch Frau Jette. Für Rike aber musste sie Frau Karlsen sein. Sie selbst, darauf hatte der Herr Wert gelegt, redete sie mit Vornamen und Sie an, was ihnen beiden eine seltsame Würde verlieh. Trotzdem blieb sie eine gute Kameradin, und sie halfen ihr, wenn sie wieder einmal nicht mit den Gepflogenheiten des Hauses zurechtkam. So zum Beispiel, als sie vor der Schale mit den Visitenkarten der Besucher stand, und die ganzen eingeknickten Ecken glättete. Nun ja, sie hatten selbst ja auch früher nicht gewusst, dass man Karten abgab und mit dem Einknicken der Ecken den Zweck des Besuches angab. Knick oben links bedeutete pour rendre visite, also nur um Besuch zu machen, wie es Frau Jacobs schon dreimal getan hatte, oben rechts pour féliciter, also um Glück zu wünschen, unten rechts pour condoler, also um Beileid auszudrücken - davon waren einige in der letzten Zeit in der Schale gelandet - und unten links pour prendre congé, also um Abschied zu nehmen. Das hatte der Leutnant neulich umgeknickt,
denn er war zu Herbstmanövern ausgezogen und konnte sich nicht von der Dame des Hauses persönlich verabschieden, denn das Schlafzimmer durfte er selbstverständlich nicht betreten.
    Sie hatten es Rike erklärt, und die hatte es langsam und sorgfältig in das kleine Buch eingetragen, in dem sie alles notierte, was sie zu lernen hatte. Ein zweites Mal machte sie einen Fehler nicht, und das war eigentlich ganz geschickt von ihr.
    Geschickt mit den Händen war sie auch. Das hatten sie beim Mäusemachen festgestellt. Und darum hatten sie sie auch jetzt ins Vertrauen gezogen, als es um die künstliche Schlange ging. Dieses Wunderwerk hatte nun lange geruht, denn während der Ferien hatten sie weiß Gott andere Beschäftigungen gehabt. Ja, und dann war Frau Mansel krank geworden. Aber sie und Lennard hatten sich das beinahe drei Ellen lange Gerippe aus Fischbein und kleinen Gelenken wieder gründlich angesehen und überlegt, wie man es auch äußerlich zu einer Schlange machen konnte. Und dabei hatten sie eine fulminante Idee entwickelt, weshalb sie nach dem Besuch auf dem Friedhof noch eine weitere Besorgung erledigen wollten, bei der ihnen Rike behilflich sein würde.
    Die Blumen lagen auf dem Grab, die stillen Gebete waren gesprochen, und Lennard murmelte: »Ich wüsste so gerne, wer unser Vater war, Ursel. Ob er noch lebt?«
    »Ich habe mich das auch schon oft gefragt, Lennard. Manchmal, weißt du, manchmal denke ich, vielleicht ist es der Herr selbst.«
    »Ja, das denke ich auch manchmal. Aber warum zeigt er es nicht?«
    »Vielleicht schämt er sich. Weil wir nur Bastards sind, weißt du. Es würde die Gnädige sehr kränken!«
    »Ja, das könnte natürlich sein. Es wäre schön, wenn er es wäre, nicht, Ursel?«
    »Ja, das wäre wirklich schön. Und sie unsere Mama.« Sie schlug sich auf die Lippen und schaute betroffen auf den Grabstein, auf dem nur schlicht »Cäcilia Schneider« stand.
    »Sie würde das bestimmt wollen, dass wir eine neue Mama hätten, die so lieb ist wie Frau Mansel«, tröstete sie ihr Bruder, und möglicherweise hatte er Recht.
    Rike stand in einiger Entfernungen von ihnen und spannte einen großen Regenschirm auf. Sie hatten gar nicht gemerkt, dass es zu
nieseln begonnen hatte, und eilten zu ihr, um unter dem Schirm Schutz zu finden.
    »Gehen wir zu deinem Opa, Rike. Er wollte uns helfen, eine Schlangenhaut zu beschaffen.«

Die Schlange
    … IN UNPÄSSLICHKEITEN, WO DER GEIST VIEL ÜBER DEN KÖRPER
VERMAG, WO SEELENLEIDEN DAS ÜBEL VERMEHREN UND DIE
BESSERUNG HINDERN, DA SOLL MAN ALLE KRÄFTE AUFSPANNEN …
UM HEITERKEIT, MUT, TROST UND HOFFNUNG IN DAS GEMÜT
DES KRANKEN ZURÜCKZURUFEN.
    Freiherr von Knigge: Über das Betragen gegen Leute in allerlei besonderen Verhältnissen und Lagen
     
     
     
    Die Herbstastern blühten üppig unten

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