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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Entschuldige.«
    »Mein Bruder Jussuf hat vor einigen Jahren etwas Furchtbares erlebt und hat daraufhin drei Jahre mit niemandem gesprochen. Man kann manchmal nicht über das reden, was einen innerlich zerreißt.«
    Und dann begann sie, von allerlei Klatsch und Tratsch zu berichten, Anekdoten aus dem geselligen Leben, in dem sie nun vollkommen akzeptiert worden war, über die neuesten Kunstwerke ihrer gemeinsamen Freundinnen, eine erfolgreiche Vernissage der beiden Malerinnen und einen weniger erfolgreichen Rezitationsabend elegischer Gedichte, bei dem die Zuhörer gleich reihenweise entschlummert waren, über den neuesten Theaterskandal und die Gefechte, die sie sich mit Sonia und der Generalin geliefert hatte. Leonie lauschte, lächelte an den entsprechenden Stellen und merkte, wie durch das Geplauder allmählich die Starre von ihr abfiel, die sie so lange umklammert gehalten hatte.
    »Camilla, ich möchte nach oben gehen!«, unterbrach sie ihre Freundin plötzlich.
    »Aber ja, natürlich. Ich ermüde dich mit meinem Geschwätz, nicht wahr?«
    »Nein, aber ich habe dir etwas zu sagen.«
    Camilla faltete die Decke zusammen und half Leonie aufstehen.

    »Schon gut, ich kann mich inzwischen selbst auf den Füßen halten.«
    Als die Schlafzimmer- und Boudoirtür hinter ihnen geschlossen war und Leonie es sich auf der Recamiere und Camilla in einem zierlichen Sessel gemütlich gemacht hatten, atmete sie tief durch.
    »Du bist meine Freundin, nicht wahr?«
    »Ich habe es dir schon einmal gesagt. Ja, Liebes, ich bin deine Freundin, was immer geschieht.«
    »Auch, was immer geschehen ist?«
    »Selbstverständlich.«
    »Vielleicht wirst du das Versprechen bereuen, wenn du es erst weißt.«
    »Möglich. Aber dann werde ich es dir sagen. Aber ich glaube nicht, dass du derart schwarze Flecken in deiner Vergangenheit hast, die es mir unmöglich machen, dich weiterhin zu mögen.«
    Leonie gab sich einen Ruck. Es war ihre einzige Möglichkeit, dem Grauen zu entfliehen, das vor fast dreizehn Jahren begonnen und einen gewissen Endpunkt mit Rosalies Tod erfahren hatte. In sehr schmucklosen Sätzen und schonungslos offen erklärte sie Camilla, dass Rosalie ihre Tochter war, wie man die Schwangerschaft verheimlicht, ihre Mutter die Geburt vorgetäuscht hatte, die ganzen Heucheleien und Lügen, die Demütigung und Scham, und dann die Erkenntnis, dass dem ungewollten Kind, auch noch geistig zurückgeblieben, nun auch das gleiche Schicksal widerfahren war.
    Camilla hörte ihr zu und stellte weder Fragen noch gab sie Laute des Entsetzens oder des Widerwillens von sich. Damit hatte Leonie eigentlich gerechnet, und es wäre ihr unerträglich gewesen. Aber ihre Freundin sah sie nur unergründlich an, mit gleichbleibend unbewegter Miene, bis sie geendet hatte.
    »Eine Bürde, Leonie, zu groß, um von einem Menschen allein getragen zu werden«, waren ihre ersten, leisen Worte. »Du hast Mauern und Stützen gebraucht, um zu überleben. Und durch Rosalies Tod sind sie zusammengebrochen. Kein Wunder, dass du krank geworden bist. Selbst die stärkste Seele flieht vor dem unerträglichen Schmerz. Wenn du mich jetzt fragst, ob du meiner Freundschaft noch gewiss sein kannst, Leonie, dann kann ich dir nur sagen - mehr denn je. Es ehrt mich, mit einer solch tapferen Frau wie dir befreundet zu sein.«

    »Ach Camilla! Camilla, ich habe dieses Kind nie gewollt. Ich habe sie nicht geliebt, sie war mir unangenehm. Ich habe nie mütterliche Gefühle für sie entwickelt - und doch, als dieses arme, dumme Ding Hilfe brauchte, wollte es zu mir. Ich habe ihr nie geholfen. Ich hätte es tun können. Ich bin schuld an ihrem Tod!«
    »Du bist schuld an ihrem Leben, du bist schuld an ihrem Tod. Du hast das eine ertragen, du wirst das andere ertragen.«
    »Aber ich habe sie nie gewollt!«
    »Du hast auch ihren Tod nie gewollt.«
    Leonie starrte auf ihre Hände. Sie hatte weder das eine noch das andere. Und dazwischen hatte sie das Kind verleugnet, wie man es ihr nahegelegt hatte. Sie hatte ihre Gefühle weggeschlossen, den Hass wie das Mitleid, geblieben waren Bitterkeit, Ekel und Kaltherzigkeit.
    »Ich hätte mich wehren müssen!«, flüsterte sie.
    »Natürlich. Gebrochen, erniedrigt und unmündig - ja, du hättest dich wehren müssen. Dann wäre das Kind nicht gezeugt worden, oder es wäre legal geboren, nicht zurückgeblieben oder noch am Leben.«
    »Sie wollte zu mir!«, schrie Leonie verzweifelt auf. »Zu mir! Sie hat mich um Hilfe gerufen!«
    »Und du

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