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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Minderjährigen begangen hatte, würde er ungestraft lassen wollen?

    »Nein, er wird niemanden anzeigen, denn das Kind ist nicht von dem Mann entjungfert worden, mit dem sie in die Kutsche gestiegen ist. Sie war bereits im dritten Monat schwanger.«
    »Allmächtiger!«
    »Sie müssen wissen, Gutermann hat den zwanghaften Wunsch nach einem männlichen Erben. Seine erste Frau gebar ihm zwar einen Sohn, doch der starb, und sie wurde krank.«
    »Daher vertuschte er Leonies Schwangerschaft, in der Hoffnung, sie würde einen Knaben gebären.«
    Sven schwieg.
    »Mir wird übel, wenn ich daran denke, was er ihr angetan hat.« Hendryk hatte seine Fäuste geballt. Der alte Mann nickte und sagte: »Ich war, ebenso wie Sie, nahe daran, einen Mord zu begehen, doch Edith - wissen Sie, Frauen sind so sehr viel klüger als wir Männer - meinte, damit könnten wir ihr jetzt nicht mehr helfen. Unsere Hilfe bestand in vielen anderen Dingen. Wir halfen ihr zu überleben, im körperlichen und im seelischen Sinne. Und ich bin froh, dass Leonie heute hier ist, stolz auf sie, dass sie in ihrem leuchtenden Kleid am Grab steht und ihn niederstarrt. Das ist Haltung! Und Ihnen, Hendryk, danke ich, dass sie zu ihr stehen.«
    »Was immer sie getan hat, was immer man ihr angetan hat, ich werde immer zu ihr stehen!«
    »Ich weiß. Doch Sie sind ein Mann von Charakter und werden mit dem Wissen um ihr Leid vorsichtig umgehen. Aber sollten Sie etwas finden, das Gutermann in Schwierigkeiten bringt, wie etwa betrügerische Immobiliengeschäfte, zögern Sie nicht, davon Gebrauch zu machen.«
    »Morgen werde ich mit der Untersuchung anfangen. Ich habe da so einen Verdacht, Sven. Und wenn ich mit Gutermann fertig bin, dann wird das, was von ihm übrig ist, sogar noch von den Straßenkötern verschmäht werden, das verspreche ich Ihnen.«

Kindergedanken
    ÜBER ALLE GRÄBER WÄCHST ZULETZT DAS GRAS, ALLE WUNDEN HEILEN, EIN TROST IST DAS …
    Friedrich Rückert
     
     
    Tod, Krankheit und Wunden scheinen uns in der letzten Zeit zu verfolgen, dachte Ursel, als sie neben Rike Richtung Melaten wanderte. Sie und Lennard wollten am Todestag ihrer leiblichen Mutter das Grab besuchen und ein paar Blumen niederlegen. Neun Jahre waren vergangen, seit sie sie verloren hatten, und die Erinnerung war schemenhaft geworden. Aber Herr Mansel hatte sie an das Datum erinnert, und daher waren sie nun auf dem Weg zum Friedhof. Und traurig. Aber die Trauer hatte weniger mit Mama zu tun, als mit dem Umstand, dass Frau Mansel nun schon seit zwei Wochen krank war. Seit ihre kleine Schwester bei einem Unfall umgekommen war. Sie hatten Rosalie kennengelernt, ein lustiges Mädchen ohne großen Witz, aber sehr lieb. Als sie von der Beerdingung in Bonn zurückgekommen waren, hatte sich die Gnädige mit schrecklichen Kopfschmerzen ins Bett begeben, und tags drauf hatte man sogar den Arzt gerufen, denn sie fieberte stark. Ursel wusste, wie scheußlich das war, und sie hatte gebeten, sich zu ihr setzen zu dürfen. Herr Mansel hatte es ihr auch wirklich gestattet, und so saß sie nun jeden Tag ein, zwei Stunden ganz ruhig an dem Bett und hielt Frau Mansels Hand. Die Gnädige war so blass und dünn geworden, und sie regte sich so selten. Manchmal schlug sie die Augen auf, und dann streichelte Ursel sie, so sanft sie konnte. In den letzten Tagen hatte sie dafür ein geisterhaftes Lächeln erhalten. Und Rike, die sich aufopferungsvoll darum kümmerte, dass das Bett immer frisch bezogen war und sie Löffel für Löffel kräftigende Brühe oder Milch zu sich nahm, sagte, sie habe sogar schon den Wunsch geäußert, ein wenig Brot essen zu dürfen. Aber sie war so schwach, sie konnte kaum selbst die Hand heben.
    Auch Lennard besuchte sie einmal am Tag, hatte aber nicht ganz so viel Geduld, still zu sitzen, dafür aber redete er immer ein bisschen
mit ihr, auch wenn sie schlief oder döste. Auch er hatte bemerkt, dass sie in den vergangenen Tagen ein winziges bisschen gelächelt hatte.
    Vielleicht musste sie nicht sterben.
    Davor hatten sie beide schreckliche Angst, und selbst die Versicherungen, die der Herr ihnen gab, es würde alles wieder gut werden, es brauche nur seine Zeit, konnten sie tief in ihrem Innern nicht ganz glauben.
    Bis jetzt. Jetzt hatten sie wieder ein wenig Hoffnung.
    Sie durchschritten das Tor von Melaten, dem großen Zentralfriedhof von Köln, und wanderten die schnurgeraden Wege zwischen den Gräberflächen entlang, bis sie zu dem Feld kamen, wo man ihre Mutter begraben

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