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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Onkel Sven ihm freundlich zugenickt hatte, als er glaubte, sie würden es nicht sehen. Er schien so eine Art heimlicher Aufpasser zu sein. Und Frau Mansel machte sich in der letzten Zeit so viele Sorgen um sie. Es war also etwas passiert, das man ihnen nicht anvertrauen wollte. Stundenlang hatten sie beide darüber spekuliert und waren zu dem Schluss gekommen, es müsse etwas mit dem Herrn zu tun haben. Andererseits hatte sich zwischen den beiden auch etwas verändert, seit er wieder zurück war. Sie sahen sich oft so innig an, und manchmal neckten sie sich auf eine Weise, die sie und Lennard nicht ganz verstanden, die aber sehr liebevoll gemeint war. Und sie waren so viel fröhlicher als früher. Wahrscheinlich freuten sie sich auf die geplante Reise.
    Lennard hatte Herrn Mansel überzeugen können, dass sie bei einem Besuch bei seinem Schulfreund, dem Sohn des angesehenen Apothekers Gerlach, nun wirklich keinen Begleiter brauchten. Er hatte zwar nur zögernd zugestimmt, aber schließlich mit den Schultern gezuckt und ihnen nur noch mit auf den Weg gegeben, sich höflich und bescheiden zu verhalten und pünktlich um sechs nach Hause zu kommen.

    Gerlachs wohnten in der Schildergasse, nicht sehr weit von zu Hause, und es waren schon zwei Dutzend Kinder versammelt, als sie eintrafen. Dreizehn Jahre war Thomas geworden, ein ungeheuer erstrebenswertes Alter, das sie erst in vier Monaten erreichen würden. Daher gab es auch keine kindischen Vergnügungen mehr wie Puppentheater oder solch alberne Spiele wie Blindekuh oder Haschen. Viel besser, man hatte eine Schatzsuche vorbereitet, bei denen einzelne Gruppen durch das ganze Haus ziehen mussten, um nach versteckten Hinweisen auf den verborgenen Schatz zu suchen. Es war herrlich! Mit einem Zettel in der Hand zog Ursel mit drei anderen Mädchen in die Bibliothek, um ein Gedicht nachzuschlagen, in dem sie dann den nächsten Hinweis finden würden. Lennard war schon auf dem Weg zur Speisekammer, wo angeblich in einem süßen Brötchen eine Auskunft verborgen war. Es gab viel Gelächter, Rätselraten und Verwirrung.
    Irgendwann landete Ursel im Weinkeller, um von einem Flaschenetikett eine Nachricht abzulesen, als plötzlich das Gaslicht ausging, das das kühle Gewölbe erhellt hatte. Ihre Mitstreiterinnen quietschten angstvoll auf, sie hätte es auch gerne getan, aber da war plötzlich die Decke über ihrem Kopf, und kräftige Hände schnürten sie in der Mitte ihres Leibes zusammen, sodass sie die Arme nicht mehr bewegen konnte. Dann wurde sie rüde über jemandes Schulter geworfen und weggetragen.
    Lennard erlitt ein ähnliches Schicksal im Kohlenkeller. Ebenfalls in eine dicke Pferdedecke gehüllt, fesselte man ihn und schleppte ihn aus dem Haus. Unsanft landete er in einer Kutsche und wurde entsetzlich durchgeschüttelt, da er ja mit den Händen keinen Halt fand.
    Wildeste Vermutungen tobten durch seinen Kopf. Mit der Schnitzeljagd hatte das nichts zu tun, und ein Dummejungenstreich war es auch nicht. Mit Entsetzen dachte er an den Mann, der sie verfolgt hatte. War er Aufpasser oder Entführer? Aber er war nicht mit ins Haus gekommen, er hatte ihn gerade noch auf der Straße stehen sehen, als er einmal ans Fenster getreten war. War er Aufpasser, dann hatten diejenigen, vor denen er sie beschützen wollte, ihn überlistet. Herr Mansel hatte also Recht gehabt mit seinen Bedenken. Oh Gott, hätten sie nur auf ihn gehört!
    Ursel, dachte er. Ursel. Sehr laut dachte er an seine Schwester.

    Lennard! Lennard, Hilfe!
    Es hallte in seinem Kopf wider. Ursel war genauso in Gefahr wie er.
    Oh Mist! Hätte er nur auf den Herrn und die Gnädige gehört.
    Die Fahrt dauerte nicht lange, kurz darauf wurde er wieder gepackt und irgendwohin getragen. Nur gedämpft konnte er die leisen Worte durch die Decke hören, die sein Entführer mit einem anderen Menschen wechselte, dann wurde er recht hart auf den Boden geworfen, wobei er sich den Kopf anstieß.
    Hier war die Decke allerdings von Vorteil. Er verlor nicht das Bewusstsein.
    Jemand packte seine Füße und band sie grob mit einem Strick zusammen. Dann gab es einen Plumps ganz in seiner Nähe, und er hatte wieder den Ruf in seinem Kopf.
    Lennard, hilf mir.
    Ursel, ich kann nicht. Wo bist du?
    Irgendjemand lachte, ein Frauenlachen, nicht sehr angenehm, dann klappte eine Tür zu, und es war still.
    Ursel, ich habe eine Decke über den Kopf.
    Er sandte ihr das Bild davon. Und empfing die ihren.
    Ich auch, Lennard. Und die Füße gefesselt.

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