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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Zwillinge und gaben sich zufrieden mit der Antwort.
     
    Zwei Tage später hatten sie die letzte Station vor ihrem Ziel erreicht, und nur noch eine Übernachtung in der Poststation trennte sie vor der Heimkehr. Um die Mittagszeit des nächsten Tages würden sie in Barsinghausen sein, und leise meldete sich bei Leonie wieder die Beklommenheit. Auch die Kinder waren stiller und stiller geworden und hatten ihr Abendessen beinahe in völligem Schweigen eingenommen.
    Bevor sie also ihr eigenes Zimmer aufsuchte, klopfte sie an die Tür der Zwillinge. Die beiden saßen auf der Bettkante und hatten offensichtlich gerade die Erlebnisse des Tages durchgesprochen.
    »Frau … ähm, Tante Leonie. Sollen wir Ihnen bei irgendwas helfen?«
    »Nein, Ursel, danke. Ich möchte mich mit euch ein bisschen unterhalten. Darf ich mich setzen!«
    »Natürlich, Tante Leonie!«
    Lennard war aufgesprungen und schob ihr, ganz höflicher Herr, einen Stuhl zurecht.
    »Ihr habt in der letzten Zeit viel Aufregendes erfahren, und morgen steht uns ein Besuch bevor, der bestimmt nicht ganz einfach wird. Ich glaube, ich fühle mich genauso befangen wie ihr.«
    »Was ist, wenn sie uns nicht mögen?«
    »Ursel, ihr seid die Kinder ihres Sohnes. Die Gefahr ist sehr gering.«
    »Wir sind die Bastarde ihres Sohnes!«, stellte Lennard trocken fest.
    »Ja, natürlich. Möglicherweise fällt das ins Gewicht. Aber - ich weiß von euren Großeltern genauso viel wie ihr. Mehr hat mir euer Onkel auch nicht erzählt. Aber wie mir scheint, hält er seine Eltern für herzliche und großzügige Menschen.«
    »Ja, aber er hat sie sechs Jahre nicht gesehen.«
    »Richtig, und darum müssen wir uns ein paar Gedanken machen. Sie werden, wenn er jetzt wieder vor ihnen steht, alleine, ohne seinen
Bruder, an dessen Tod erinnert werden und entsetzlich traurig sein. Auf der anderen Seite werden sie überglücklich sein, Leo wieder bei sich zu haben. Ich habe euch oft gemahnt, dass Gefühlsausbrüche nicht besonders schicklich sind, man auch in Situationen Haltung bewahren muss, in denen man große Angst, Freude oder Schmerz verspürt.«
    »Ja, Tante Leonie. Eine Dame darf nicht hysterisch werden und ein Herr nicht weinen.«
    »Ganz genau. Aber wie ihr selbst ja schon gemerkt habt, ist Contenance manchmal nur möglich, wenn man sich sehr stark darum bemüht und alle Kraft darauf verwendet, nicht zusammenzubrechen. Es könnte sein, dass euch eure Großeltern kühl und unnahbar erscheinen, weil sie sich erst einmal fassen müssen. Wir werden ihnen deswegen mit untadeliger Höflichkeit begegnen und versuchen, ihnen so viel Herzlichkeit zu zeigen, wie sie zulassen.«
    »Wieso zulassen?«
    »Wenn man sehr bewegt ist, Lennard, kann durch unerwartete Freundlichkeit die mühsam aufrechterhaltene Fassade einstürzen. Das ist dann für denjenigen sehr peinlich. Es ist größte Delikatesse unsererseits vonnöten. Und auf gar keinen Fall dürfen wir uns auch nur den Anschein von Enttäuschung, Schmollen oder gar Ärger anmerken lassen, wenn die Herrschaften uns nicht gleich mit offenen Armen empfangen.«
    »Aber Sie werden sie doch mögen, Tante Leonie.«
    »Vielleicht. Ich hoffe es. Aber ich bin eine Fremde für sie, viel fremder als ihr. Ihr seid Blutsverwandte, Enkelkinder.«
    »Aber Sie sind so lieb, Tante Leonie. Ich werde es nicht dulden, wenn sie eisig zu Ihnen sind«, begehrte Lennard auf.
    »Du wirst dich auch dann weiterhin höflich und wohlerzogen verhalten. Woher sollen sie denn wissen, ob ich lieb bin, mh? Ihr habt mich doch auch für eine harte, strenge Person gehalten.«
    Ursel und Lennard sahen einander betreten an.
    »Da wussten wir noch nicht …«
    »Da konnten Sie nicht ahnen …«
    »Eben, Zwillinge. Wir kannten einander nicht. Höflichkeit und Rücksichtnahme sind einfach, wenn man einander mag, sie sind aber genauso notwendig, wenn man sich nicht kennt - oder nicht mag.«

    Leonie stand auf und setzte sich zwischen die beiden auf die Bettkante und legte die Arme um ihre Schultern.
    »Was immer passiert, wir wissen, dass wir uns mögen und vertrauen können, nicht wahr?«
    Überrascht fühlte sie sowohl bei Lennard als auch bei Ursel ein winziges Zusammenzucken. Da gab es eine Spur von schlechtem Gewissen, vermutete sie. Ob es mit dem Vertrauen oder dem Mögen zu tun hatte, wollte sie aber im Augenblick nicht nachfragen. Denn schon schmiegte sich Ursel an sie und flüsterte: »Ich habe Sie sehr lieb, Tante Leonie. Ich kann mich an unsere Mama gar nicht mehr richtig

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