Die Ungehorsame Historischer Roman
aufsetzte und sie anblickte, obwohl ihm die Röte ins Gesicht stieg.
»Ich weiß nicht - wir müssen darüber reden, nicht wahr?«, sagte sie.
»Ja, müssen wir. Ich habe auch - nachgedacht und - ähm - Ärzte befragt. Ich kann sehr gut verstehen, wenn du das Risiko, schwanger zu werden, nicht eingehen willst.«
Sie streichelte ihm über die heiße Wange und lächelte.
»Aber du hättest gerne eigene Kinder.«
Stumm nickte er.
»Ich war damals noch nicht ausgewachsen, Naheema und auch Edith glauben, dass ich die Probleme von damals nicht mehr haben werde. Aber - solange du noch nicht zu Ende geführt hast, was du dir vorgenommen hast, sollten wir noch warten.«
»Du würdest … du willst …«
»Ich würde wollen, Leo. Wenn du willst.«
»Ich wünsche es mir sehr, Liebste. Aber …«
»Aber dann werden wir jetzt trotzdem einige Ratschläge Camillas beherzigen.«
»Manchmal, Leonie, machst du es mir einfach zu leicht!«
Nach dieser Nacht hatten sie sich noch enger verbunden gefühlt, und auch auf Seiten seiner Eltern war eine Veränderung eingetreten. Leonie hatte am Vormittag in der Bibliothek gesessen und einen Brief an Sven und Edith geschrieben, als ihre Schwiegermutter eintrat. Sie wirkte bedrückt, aber nicht ungehalten, als sie leise fragte: »Störe ich dich?«
»Ich bin gleich fertig. Soll ich Ihnen bei irgendetwas zur Hand gehen, Frau Flemming?«
»Nein. Nein, ich dachte nur, Sie würden mich vielleicht gerne zu meiner Schneiderin begleiten.«
»Wenn Sie es wünschen.«
»Es ist - ich meine - Sie könnten sich bei ihr einmal umsehen.«
Um Trauerkleider zu kaufen, knurrte Leonie innerlich und schüttelte den Kopf.
»Danke, ich habe eine ausgezeichnete Couturière.«
»Ja, das konnte ich feststellen. Nur Sie haben kein Reitkostüm, wenn ich es richtig sehe. Für die Lernstunden mag ein alter Rock ausreichen, aber wenn Sie in Gesellschaft ausreiten, benötigen Sie etwas Passenderes.«
»Ich reite lediglich in Begleitung der Kinder. Ich glaube nicht, dass dafür ein Reitkostüm nötig ist.«
»Ich reite ebenfalls gerne aus, und in meiner Begleitung würde ich Sie gerne in einem hübschen Dress sehen. Vielleicht in Rehbraun oder diesem Ocker, das Ihnen so gut steht.«
Plötzlich dämmerte Leonie, was ihre Schwiegermutter ihr zu verstehen geben wollte. Es kam einer Entschuldigung ziemlich nahe. Sie akzeptierte damit, dass sie keine Trauerkleidung tragen würde. Langsam legte sie also die Feder nieder und lächelte.
»Nun ja, Rehbraun würde der kleinen Stute, die Herr Flemming für mich bestimmt hat, sicher sehr hübsch stehen.«
»Dann darf ich nach dem Essen die Kutsche vorfahren lassen?«
»Ich werde mich danach richten.«
Und dann trat Olivia Flemming plötzlich zu ihr und strich ihr mit leichter Hand über die Haare.
»Sie sind so hübsch, Kind.«
Dann verließ sie mit eiligen Schritten die Bibliothek.
Danach wurde das Verhältnis zwischen Leonie und ihren Schwiegereltern von Tag zu Tag herzlicher und inniger.
Der Silvesterball war die Krönung, allen Gästen wurde sie als die geliebte Schwiegertochter vorgestellt, und Laurens Flemming bestand schließlich darauf, dass sie Vater und Mutter zu ihnen sagen sollte. Die Anerkennung konnte nicht größer sein.
Unterweltplanungen
DER VORSICHT RÄTSEL WERDEST DU MIR LÖSEN
UND RECHNUNG HALTEN MIT DEM LEIDENDEN.
Schiller: Resignation
Die zerschnittenen Seile und die in die Ecke geworfenen Decken hatten Magnus von Crausen in eine schier unmenschliche Wut versetzt. Diese verfluchten Gören waren irgendwie entkommen, zwei Tage später war Leo mit ihnen und seinem Weib aus der Stadt verschwunden. Angeblich nach Berlin aufgebrochen. Er glaubte es nicht, denn Ernst von Benningsen war zur selben Zeit zu seinen Eltern gereist. Er hätte schon früher darauf kommen können - der Leutnant war ein Kinderfreund der Zwillinge gewesen. Seine enge Bekanntschaft mit Mansel hätte ihm Hinweis sein müssen. Verdammt, er hatte einen Fehler gemacht. Einen, den er schnellstmöglich ausmerzen musste. Leider ließ sein Dienstplan es nicht zu, sofort nach Barsinghausen aufzubrechen und dort eine letzte, entscheidende Begegnung zu forcieren.
Er zwang sich zu Ruhe und Überlegung.
Diskrete Nachfragen ergaben, Mansel habe das Haus nicht aufgegeben und seinen Vertrag mit der Eisenbahngesellschaft nicht gekündigt. Also wollte er wohl zurückkommen. Das konnte zwei Gründe haben - entweder er wusste noch immer nicht, dass er ihn durchschaut
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