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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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sie flüchteten die Stiegen zum Dach hoch. Hier versperrten ihnen die zerfetzten Leichen zweier Turbanträger den Ausgang. Mansel wurde beinahe übel bei ihrem Anblick, aber er räumte sie beiseite. Doch kaum war er auf das Dach gekrochen, explodierte etwas an seiner rechten Schläfe, und es wurde dunkel um ihn.

Der Corporal
    UND ERHEBT SICH NUN GAR DER HANDWERKER
ODER KÜNSTLER …
ÜBER DAS MECHANISCHE DURCH ERFINDUNGSKRAFT
UND VERFEINERUNG SEINER KUNST, SO VERDIENT ER
DOPPELTE ACHTUNG.
    Freiherr von Knigge: Über den Umgang mit Leuten von allerlei Ständen im bürgerlichen Leben
     
     
     
    »Ich kann sie hier pflegen, Leonie, wenn du uns noch eine Weile bei euch duldest.«
    Leonie und Edith hatten Ursel im Hospital besucht und sie auf dem Weg der Besserung vorgefunden. Doch die Verhältnisse in dem Krankenhaus waren nicht besonders erfreulich. Zwar gab es einige Cellitinnen, Ordensschwestern, die sich um die Bettlägerigen kümmerten, jedoch waren sie überlastet und kümmerten sich lediglich darum, das Essen zu verteilen und die Betten zu machen.
    »Du und Sven, ihr seid hier so lange erwünscht, wie ihr nur bleiben könnt. Und du bist mit Sicherheit die beste Pflegerin, die sich das Mädchen wünschen kann. Ich glaube, Mansel wird nichts dagegen haben.«
     
    Ganz bestimmt nicht, dessen war sie sich sicher, denn schon am Tag nach Ursels Einlieferung hatte er sich sehr höflich und korrekt bei ihr entschuldigt und ihr im Einzelnen erklärt, welche Maßnahmen er eingeleitet hatte. Sie hatte ruhig zugehört und sich für ihren überreizten Ausbruch geschämt.
    »Es ist gut, Leonora. Ich habe Ihnen einst ein wenig mitfühlendes Herz unterstellt, aber sicher habe ich nur die äußerliche Kühle gesehen. Sie mögen das Mädchen, nicht wahr?«
    »Ich mag beide Kinder, Herr Mansel. Sie sind hilfsbereit und freundlich und manchmal ein bisschen übermütig. Und sehr klug. Ich will einiges an Lektüre zusammenstellen, mit der sie sich weiterbilden
können, und ihnen auch täglich eine Stunde lang ein passendes Sujet aus dem Lehrstoff vermitteln, den Sie für richtig halten.«
    »Wie gut ist es um Ihre Rechenkünste bestellt?«
    Mit einem kleinen Lächeln hatte sie ihre Hände gehoben und auf ihre Finger verwiesen.
    »Bis zehn kann ich zählen.«
    »Ich hege den ernsten Verdacht, Madame, dass Sie durchaus auch weiter zählen können.«
    »Sollte ich etwa den unpassenden Eindruck erweckt haben, ich sei ein gelehrtes Frauenzimmer?«
    »Ihre Haushaltsabrechnungen fand ich erstaunlich präzise. Und ein wenig Gelehrsamkeit steht meiner Meinung nach einer Dame durchaus gut an. Es macht die Unterhaltung kurzweilig und reizvoll.«
    Er hatte ihr wieder die Hand geküsst, und sein Lächeln hatte ihr die Kehle eng gemacht.
     
    Sven begleitete sie am Nachmittag zum Bürgerhospital und setzte sich in den Warteraum, während Leonie und Edith die Regelungen zu Ursels Heimtransport trafen. Es dauerte eine geraume Zeit, bis sie den verantwortlichen Arzt gefunden hatten, der ihnen auch noch etliche Behandlungsvorschriften, Medikamente und Ratschläge mitgab. Dann endlich hatten sie Ursel, die sie mit einem glücklichen Gesicht willkommen hieß, in Decken gepackt und in den Warteraum getragen. Sven, der sich angeregt mit einem verwittert aussehenden Corporal unterhielt, wandte sich ihnen zu und nahm ihnen das Kind ab.
    »Dann gute Besserung für Ihren Kameraden, Corporal!«, verabschiedete er sich, und der Mann sprang auf, schlug zackig die Hacken zusammen und erwiderte mit einer ungewöhnlich hohen Stimme: »Danke, Herr Becker, und dem Kind eine schnelle Genesung!«
    »Ein alter Bekannter, Sven?«, fragte Leonie, als sie im Wagen saßen.
    »Nein, eigentlich nicht, aber ein interessanter Mann. Will einen Kameraden vom Hospital abholen, den sie hier verarztet haben, weil ihr Militärarzt noch immer mit den Truppen unterwegs ist, die die Manöver für den König abgehalten haben. Er diente, wie dein Mann, lange Zeit bei der Fremdenlegion in Algerien.«

    »Ach, tatsächlich? Und wieso trägt er dann jetzt das preußische Blau?«
    »Oh, die Franzosen haben etliche preußische und auch schweizerische Offiziere und Unteroffiziere angeworben, die ihre Rabaukenbande in ordentliche Truppen verwandeln sollten. Die ehrenwerte Legion ist nämlich nicht wählerisch bei ihren Rekruten. Da kommt schon ein ziemlich gemischter Haufen zusammen.«
    »Ist er Mansel begegnet?«
    Sven zog eine kleine Grimasse und schielte zu Ursel hin. Leonie wusste, er

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