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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Schoßhündchen seiner Mama hinterherläuft, und wahrscheinlich sogar der Pfarrer, der den Stierkopf trug. Und der kann uns nun gar nichts mehr anhaben.«
    »Ja, vielleicht! Aber die Schlange!«
    »Die war nicht echt. Glaub mir’s doch! Ich gehe hin und fasse sie an.«
    Ursel hatte zu ihrem Bruder das tiefste Vertrauen, aber sie hatte auch Angst um ihn.
    »Ich komme mit!«
    »Auf gar keinen Fall. Du bist noch nicht stark genug. Und wenn es ums Weglaufen geht, musst du schnell sein.«
    Das leuchtete ihr ein.
    »Wie willst du es denn machen? Sie werden es hier im Haus merken, Lennard!«
    »Ich weiß, wo sich der Schlüssel für die Hintertür befindet!«
    »Du willst ihn mopsen?«
    »Ausleihen. Der Gnädige schickt mich immer um neun zu Bett, und sie selbst ziehen sich auch um zehn zurück. Dann schleich ich mich raus.«
    Wirklich einverstanden war Ursel nicht, aber sie fand den Vorschlag nach längerem Überlegen akzeptabel. Wenn ihr Bruder Recht hatte, dann konnte sie sich die bösen Träume besser erklären. Und dann verschwanden die bedrohlichen Gestalten vielleicht. Sicherheitshalber gab sie ihm aber noch ihren Rosenkranz mit und versprach, während der ganzen Zeit für ihn zu beten.
    Zwei Nächte später führte Lennard also, nach außen gelassen,
doch innerlich nicht ganz ohne Beklemmung, seinen Plan aus. Es war eine kühle, regnerische Nacht, und der leichte Nieselregen schreckte nächtliche Flaneure ab. Aus dem Haus zu gelangen war einfach, über die Mauer in den Hof des Bierbrauers zu klettern für einen gewandten Jungen auch nicht schwer. Die Tür zu dem Lagerkeller war nur verriegelt, und mit etwas Anstrengung bekam er sie auch auf.
    Handlaterne und Schwefelhölzer hatte er vorausschauend mitgenommen, und in dem schwankenden Licht der Kerze stieg er in die Keller ein.
    Es war ihm wirklich nicht wohl dabei, und beinahe wäre er umgekehrt, als eine Maus über seinen Weg huschte. Es war absolut still hier unter den Häusern der Budengasse, so still, dass man das feine Tröpfeln an einer feuchten Stelle hören konnte. Leise setzte er Fuß vor Fuß und blieb ängstlich schnüffelnd stehen. Ja, da war wieder der Weihrauchduft. Er wurde stärker, und dann setzte auch das Rezitieren oder Singen ein. Es war tatsächlich wie beim ersten Mal. Einerseits war er enttäuscht, denn so konnte er den Raum nicht inspizieren und sich vergewissern, dass die Schlange nur eine künstliche war. Andererseits wuchs seine Neugier über seine Angst hinaus. Das seltsame Schauspiel wollte er noch einmal sehen.
    Der Vorhang verdeckte wie zuvor den Zugang über der Treppe, und vorsichtig lüpfte Lennard einen Zipfel.
    Ja, sie waren wieder um den Altar mit der großen Schlange versammelt, die Männer mit den Masken. Er betrachtete sie genau - ein Widder, ein Stier, ein Hund und einer, den er aus dem Ägyptenbuch als Schakal erkannte, ein Falke, ein Nilpferd, ein Krokodil, die Frau mit dem bösen Katzenkopf und einer, der nur eine schwarze Maske trug. Das war neu! Außerdem hatte die Frau, und hier musste Lennard tatsächlich schlucken, über einem aus geflecktem Fell bestehenden Rock nur ein straff geschnürtes Korsett an, aus dem ihre Brüste üppig hervorquollen. Das erschien ihm doch sehr unschicklich.
    Der Singsang hingegen wirkte nach kurzer Zeit einlullend, der Weihrauch auch. Er roch auch anders als in der Kirche, bei Weitem süßlicher. Lennard wäre darüber beinahe eingenickt, aber dann endete der Gesang, und der Widderköpfige hob dramatisch die Hände, um ein besonderes Ereignis anzukünden.

    »Ich habe für euch, Brüder und Schwester des Amudat-Ordens, einen hoch geehrten Gast eingeladen. Ich konnte die Beherrscherin der Mysterien überreden, unseren heiligen Handlungen Weihe zu verleihen. Mehr noch, sie wird, wenn Apophis, die große Schlange, geneigt ist, uns mit ihren außergewöhnlichen medialen Fähigkeiten die Zukunft weisen.« Er drehte sich mit Schwung um, wies mit seinem Stab auf die andere, verhängte Tür und rief: »Quadshu, verehrt Quadshu, die göttliche Tänzerin!«
    Jetzt erst bemerkte Lennard, das vor dem Altar ein mit Blumen bestreutes Löwenfell ausgebreitet lag, und 0die verschleierte Gestalt, die durch den Raum schwebte, betrat eben dieses Fell. Erleichtert, dass es offensichtlich nicht wieder darum ging, eine Katze zu opfern, betrachtete er sie genau, um sie Ursel später schildern zu können. Sie hatte erstaunliche Kleider an. Weite, weiße Hosen, die mit Bändern, besetzt mit glitzernden Steinchen,

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