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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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daneben: erhalten am 15. Februar 1843. Vor drei Tagen also. Die Schrift des Absenders war energisch, aber sie wirkte dennoch weiblich. Die Sprache war englisch. Ziemlich mühsam übersetzte Leonie den Text, gab es schließlich auf und schlich sich noch einmal hoch ins Schulzimmer, um das Wörterbuch zu holen, das sie im Unterricht verwendeten. Damit wurde es etwas leichter, und sie erfuhr, dass nun endlich ein Mensch namens Abdul Said Gelegenheit bekommen habe, die Berichte Russeggers in Mehemet Alis Archiv zu kopieren.
    »Zwei Monate hat er antichambrieren müssen, der arme Kerl,
und unzählige Wasserpfeifen mit subalternen Pfeifen rauchen müssen. Ich fürchte aber, er hat es genossen. Du weißt, die Uhren gehen hier anders. Aber immerhin liegt der Bericht dir jetzt vor, und genau wie du vermutet hast, werden die Gräber von Meroe nur am Rand erwähnt. Die Abschrift für Dich lege ich bei, ich hoffe, sie ist Dir von Nutzen.« Ein umfangreiches Konvolut war dem Schreiben beigefügt, das tatsächliche ein Expeditionsbericht zu sein schien.
    »In der Verlustenliste wirst du neben den Soldaten und ägyptischen Dienern auch die der Mineralogen Urs und Leo Flemming finden«, schrieb die Dame weiter. »Der Zeichner Jussuf hingegen wird nicht erwähnt. Unsere Nachforschungen sind an der Stelle nicht weitergekommen, der Junge scheint sich im Staub der Wüste oder im Schlamm des Nils aufgelöst zu haben. Dafür scheint es aber eine Spur von Corporal Erich Langer zu geben. Jemand will erfahren haben, er sei mit Russegger 1838 zum Sinai aufgebrochen und habe ihn zwecks seiner geologischen Studien womöglich auch später noch nach Griechenland begleitet.«
    Viel sagten Leonie diese Informationen nicht, und sie blätterte einige Seiten zurück. Hier überraschte sie eine Zeile, in der die Schreiberin, die mit »Deine Frances etc. pp« unterschieb, Hendryk offensichtlich Vorwürfe machte, geheiratet zu haben. »Auch wenn ich es unbedingt gutheiße, wie du für die Kinder sorgst, so ist es doch vollkommen unverantwortlich, eine unbescholtene junge Frau in deine schlüpfrigen Angelegenheiten mit hineinzuziehen.« Ambiguous bedeutete doch schlüpfrig, oder? Himmel, was trieb ihr Gatte nur? Leonie blätterte weiter und fand andere seltsame Formulierungen und Vokabeln, bei denen ihr das Dictionaire nicht weiterhalf. So beispielsweise den Satz, »die Almeh, die ihr so sehr verehrtet, hat einen reichen Deutschen geheiratet. Es ist schon erstaunlich, wie leichtgläubig die europäischen Männer sind. Er hat sie, Gerüchten zufolge, für eine Hofdame gehalten. Sie hat wohl nicht widersprochen. Na ja, so etwas Ähnliches sind die Awalim ja auch«.
    Irgendwie brachte Leonie das spontan mit Camilla Jacobs in Verbindung, auch wenn ihr vollkommen schleierhaft war, was eine Almeh sein könnte oder diese Awalim. Vage aber drängte sich ihr der Gedanke auf, Svens Verdacht könne in die richtige Richtung zielen. Hendryk Mansel war zwar im Orient gewesen, auch zu der Zeit, die
er dafür angab, aber sicher nicht als Söldner in der Legion, sondern vermutlich eher in Ägypten. Kannte er Camilla? Bisher waren sich die beiden noch nicht begegnet, sehr fein säuberlich vermieden ihre Freundin wie auch ihr Gatte, einander über den Weg zu laufen. Aufschlussreich? Sicher.
    Hatte er etwas mit dieser Expedition zu tun? Vielleicht. Aber warum brauchte er dann den Bericht? Oder war er ein Glücksritter, der auf eigene Faust auf Gold- und Schatzsuche gegangen und jemandem dort in die Quere gekommen war? Er hatte Verletzungen davongetragen, wenn auch nicht sein Augenlicht eingebüßt. Sein Fuß brauchte eine Stütze, und an manchen Tagen, so hatte sie den Eindruck, schmerzte ihn auch seine Schulter.
    Wenn auch die Neugier größer und größer wurde, so war das Übersetzen der Briefe doch extrem mühsam. Leonie schlug den Aktendeckel zu und stellte ihn wieder ordentlich zurück.
    Im Haus unten schlug die Pendule Mitternacht, und eigentlich hätte sie wirklich allmählich zu Bett gehen sollen. Doch die schwere Eisenkassette reizte sie. Auch dieses Schloss war nicht zu schwer zu öffnen, aber als sie den Deckel hob, hätte sie beinahe einen Schrei ausgestoßen.
    In mit Samt ausgepolsterten Fächern lag ein Vermögen an Smaragden.
    »Großer Gott, dann hat sich die Schatzsuche aber gelohnt!«, flüsterte sie. Und als Zweites fiel ihr ein: Diebesgut? Hatte er es einem anderen abgenommen und deshalb seinen Namen verändert, um dessen Verfolgung und Rache zu

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