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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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so unnahbar, und ich muss Sie auf eine mir nicht bekannte Art gekränkt haben. Ich bin kein einfacher Mensch, und ich trage an einigen bösen Erinnerungen. Das macht mich manchmal unleidlich.«
    Sie hatte den Kopf gesenkt und zerkrümelte einen Keks zwischen ihren eleganten Fingern.
    »Ich bin ja auch nicht einfach.«
    »Nein, meine Liebe, das sind Sie nicht. Aber Sie sind eine liebevolle und schöne, kluge und mitfühlende Frau, und dafür bewundere ich Sie.«
    »Warum sagen Sie mir das heute?«
    »Weil es endlich an der Zeit dazu ist. Meine Werbung um Sie begann vor ziemlich genau einem Jahr, und wir beide sind diese Ehe mit sehr nüchternen Gefühlen eingegangen. Dennoch habe ich den sicheren Eindruck, Sie fühlen sich hier wohler als in Ihrem Elternhaus. Ich sollte Ihnen also endlich einmal sagen, dass auch ich mich in dem Haus, das Sie führen, wohler als je zuvor fühle. Unser beider Arrangement möchte ich dabei in keiner Weise verändert wissen.«
    Diese Formulierung war wohl die einzig mögliche, um ihr zu verstehen zu geben, dass er nicht versuchen würde, seine Rechte als Ehemann einzufordern. Und an ihrem Gesichtsausdruck erkannte er, dass sie ihn verstanden hatte.
    »Danke«, sagte sie und knabberte an dem Keks.
    »Und nun berichten Sie, was der Herr Karl Marx in der heutigen Zeitung Provokantes verfasst hat.«
    »Oh, er regt sich, vermutlich zu Recht, über das von den Preußen verhängte Verbot der Leipziger Zeitung auf.«

Die Briefe aus der Vergangenheit
    IN DER EHE SOLL GEGENSEITIGES UNEINGESCHRÄNKTES ZUTRAUN,
SOLLTE OFFENHERZIGKEIT STATTFINDEN.
KANN DENN ABER GAR KEIN FALL EINTRETEN,
WO EINER VOR DEM ANDEREN GEHEIMNISSE BEWAHREN DÜRFTE?
O JA, GEWISS!«
    Freiherr von Knigge: Von dem Umgange unter Eheleuten
     
     
     
    Leonie hatte den unerträglich langweiligen Roman von Mary Shelley zur Seite gelegt. Die Geschichte um Frankensteins Monster war so unsäglich geschwätzig und ausufernd, dass die Lektüre ihr schon nach wenigen Sätzen Gähnkrämpfe verursachte, die eine tadellose Dame natürlich zu unterdrücken hatte. Mochte es auch bewundernswert sein, dass es einer jungen Engländerin gelungen war, einen Roman zu veröffentlichen, der hoch gelobt weite Verbreitung fand, so waren doch Qualität und Idee recht fragwürdig, und der Text strotzte vor Unlogik und Halbheiten. Selma hatte ihr diesen Gruselroman empfohlen, deshalb überlegte sie sich einige passende Bemerkungen, die vertuschen würden, dass sie das Ding halb gelesen zugeschlagen hatte. Boshafterweise fiel ihr aber dazu nur die hübsche Formulierung ein, die der Freiherr von Knigge einstmals zum Wert gewisser Bücher geschrieben hatte, nämlich, dass sie sich ausschließlich als Rosinentüten qualifizierten. Gut, Selma war eine freundliche Nachbarin, wenn auch ein wenig schlicht von Gemüt, und seit einigen Monaten war sie in guter Hoffnung. Leonie zog ihr Handarbeitskörbchen zu sich, um an dem angefangenen weichen Strickwerk für den erwarteten Nachwuchs zu arbeiten. Sie war zwar, wie bei allen Fingerfertigkeiten, auch darin recht geschickt, fand die Tätigkeit als solches aber langweilig, und deshalb legte sie das angefangene Jäckchen auch gerne zurück, als Ursel in den Wintergarten trat. Das Mädchen hatte glitzernde Augen und schwankte derart zwischen einem Kichern und Verschämtheit, dass Leonie lächeln musste.

    »Was ist passiert, Ursel? Habt ihr wieder irgendeinen Unfug angestellt?«
    Ein Prusten hinter der vor den Mund gehaltenen Hand war die Antwort, dann ein Schulterzucken.
    »Nein, gnädige Frau, nur … also, Lennard …« Ein weiteres Glucksen erfolgte, dann riss das Mädchen sich etwas zusammen. »Lennard ist in einer Schublade verloren gegangen.«
    »Du liebes bisschen. Hast du ihn geplättet und zusammengefaltet?«
    Unter Kichern antwortete sie: »Nein. Er hat Halsbinden eingeräumt. Und dabei ist ihm eine Krawattennadel hinter die Lade gerutscht. Da hat er versucht, sie wieder rauszufischen, und dabei musste er in die Lade klettern, um dahinterzulangen, wissen Sie. Dabei ist die nach unten gekippt, und er mit. Und nun kommt er nicht mehr alleine aus dem Schrank!«
    »Das hört sich ja schaurig an. Müssen wir ihm jetzt Butterbrote durch die Schübe stecken, damit er überlebt?«
    »Nein, aber, bitte, wenn Sie mir helfen könnten, die Laden ganz herauszuziehen. Sie sind zu schwer für mich. Weil - Albert ist beim Schuster und Jette auf dem Markt.«
    Leonie stand auf und meinte: »Ich komme und rette deinen Bruder.

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