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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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entgehen?
    In einem der Fächer aber lag noch etwas, das in ein Lederbeutelchen gesteckt war. Sie zog es auf, und in ihre Hand glitt ein etwa drei Finger breites Steinscheibchen, in dem ein Spiralmuster opaleszierend schimmerte. Durch das Loch am oberen Ende war eine schwere Goldkette gezogen. »Ammonshorn«, wisperte sie und fragte sich, was ihren Mann wohl mit dem Rittmeister von Crausen verband, denn der hatte ihr vor noch gar nicht langer Zeit das vollkommene Gegenstück zu diesem Fossil gezeigt und es ein glückbringendes Amulett genannt.
    Sie schlief nicht viel diese Nacht, doch am Morgen hatte sie sich wieder gefasst. Was auch immer gewesen war, ihr Gemahl hatte sich
ihr gegenüber stets korrekt verhalten. Sie kannte ihn nun schon ein Jahr und mochte an der Lauterkeit seines Charakters nicht zweifeln. Er hatte Gründe, und sie war bereit, ihm die anständigsten zu unterstellen. Denn nur mit dieser Vorstellung konnte sie weiterleben. Ihre Ehe stand, trotz der Versicherung seiner Freundschaft, auf sehr tönernen Füßen. Aber sie wollte daran festhalten, unbedingt und so lange es möglich war. Denn die Alternative konnte nur bedeuten, zu ihrem Vater zurückzukehren. Und das wollte sie unbedingt vermeiden.
    Sie hoffte nur, er würde irgendwann den Mut finden, sich ihr anzuvertrauen.
    Und dann fasste sie sich sehr schnell an ihre eigene Nase.
    Warum sollte er? - Sie vertraute sich ihm ja auch nicht an.

April 1839: Auf dem Schiff
    ICH SAH DIE ZEIT NACH DEINEN UFERN FLIEGEN,
DIE BLÜHENDE NATUR
BLIEB HINTER IHR, EIN WELKER LEICHNAM, LIEGEN.
    Schiller: Resignation
     
     
    Der Nachtwind rauschte in den Segeln, und schäumend teilte der Bug das schwarze Wasser des Mittelmeers. Sie hatten Alexandria vor zwei Tagen verlassen, und hinter sich gelassen hatte er eine Zeit, die er von Herzen zu vergessen wünschte. Von der er aber wusste, sie hatte derart tiefe Zeichen in seine Seele eingebrannt, dass er von ihnen auf immer verfolgt werden würde. Er hatte sich verändert - auf allen Ebenen. Körperlich war er verletzt worden, sein Fuß würde trotz aller ärztlicher und chirurgischer Kunst nie wieder seine volle Belastbarkeit erlangen, seine Schulter wohl immer schmerzen. Darüber hinaus hatte er sich einen Bart wachsen lassen, höchst modisch, wie man ihm versicherte, und seine von der Sonne gebleichten Haare durch eine kosmetische Behandlung dunkler gefärbt. Die Wirkung dieser einfachen Mittel hatte ihn selbst erstaunt, die Augenklappe als Ergänzung dazu ließ ihn vermuten, dass selbst seine eigene Mutter Probleme hätte, ihn wiederzuerkennen.
    In den vergangenen Monaten hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, Schritt für Schritt voranzugehen, das einzige Ziel zu verfolgen, für das es sich noch lohnte zu leben.
    Rache!
    Aber auf dem Weg zur Erfüllung dieses Ziels gab es noch mehr als einen Seitenweg zu beschreiten. Er hatte ein Versprechen zu erfüllen, eine Aufgabe von ungeheurer Wichtigkeit zu erledigen, zu der er jetzt unterwegs war, denn seine Nachforschungen, so schwierig sie auch aus der Entfernung durchzuführen waren, hatten erste Resultate gebracht. Deshalb kehrte er zurück. Unerkannt, mit den Papieren eines Söldners in der Tasche, von dem er lediglich wusste, dass er im vergangenen Jahr in Algier dem Wundbrand erlegen war.
    Als Nächstes galt es, in der Gegend von Köln eine bürgerliche
Existenz aufzubauen. Er sah dem zuversichtlich entgegen. Er hatte auf verschiedenen Gebieten Kenntnisse und Fähigkeiten, die jetzt, da die Welt nach technischem Fortschritt verlangte, dringend benötigt wurden. Und er hatte ein Vermögen. Es lag in einem schlauchartigen Ledergürtel um seine Taille unter den Kleidern.
    Alleine stand er in der warmen Frühlingsnacht auf dem Deck des Schiffes und blickte in die sternflimmernde Dunkelheit.
    Und in diesem unbedachten Augenblick packte ihn das, was er die ganzen Monate über mühsam unterdrückt hatte - die Trauer. Die unendlich schmerzhafte Trauer über den Verlust eines Teils seiner selbst. Keuchend hielt er sich an der Reling fest. Die Leere breitete sich wie ein schwarzer Nebel in ihm aus, als er sich nicht mehr gegen das Wissen wehren konnte, was er tatsächlich verloren hatte.
    Alle Gedanken an Rache, an Aufgaben, an Fürsorge und Schutz lösten sich auf in dieser bitteren Finsternis seiner Seele, und langsam beugte er sich vornüber.
    Wie leicht wäre es, zu springen und sich samt Papieren und Smaragden einfach in der lichtlosen Flut versinken zu lassen.
    »Mann, sind

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