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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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anderen zu zeigen, welch kleine Geister sie sind.«
    »Sie war keine Hofdame, nicht wahr?«
    »Sie war sicher eine Dame bei Hofe.« Gawrila legte den Stoff zusammen.
    »Das glaube ich wohl, aber - sie war eine Tänzerin, nicht wahr? Sie hat mir einmal bei einem Bild von den Ouled Nail erzählt.«
    »Niemals!«
    Diese ausschließliche Verneinung glich so sehr der, die Camilla ausgestoßen hatte, als sie Hendryks Leben als Söldner erwähnte, dass Leonie beinahe aufgelacht hätte.

    »Ich schätze Camilla sehr, Madame Gawrila. Ich sollte mich meiner Neugier schämen.«
    »Sicher. Trotzdem, ich verrate Ihnen jetzt etwas, Frau Mansel, das unter uns bleiben wird. Ich kann mich bei Ihnen darauf verlassen, nicht wahr?«
    »Selbstverständlich.«
    »Nun gut, wissen Sie, ich habe, als ich jung war, einer sehr reichen russischen Dame gedient, die einen erlesenen Geschmack hatte. Sie reiste gerne, ihr Gatte war eine Art Diplomat, und so lernte ich auch den Orient kennen. Anders als die Männer, die uns mit ihren wissenschaftlichen Reiseberichten ergötzen, habe ich die Frauen dort kennengelernt. Ich lebte in Harems und Serails, besuchte Hammams und verborgene Gärten. Ich habe Odalisken und manche Sultansgattin, Prinzessinnen, Zigeunerinnen und viele freie Berberinnen getroffen. Unter all diesen Frauen, Frau Mansel, gibt es außerordentlich begabte Künstlerinnen. Dichtkunst blieb mir der Sprache wegen fremd, aber Malerei und vor allem Musik und Tanz haben mich tief beeindruckt. Einige dieser Frauen sind hoch angesehene Damen, jeder Haushalt, der etwas auf sich hält, engagiert bei wichtigen Festen die Awalim. Sie tanzen und musizieren in den Frauengemächern, aber auch vor den Männern, jedoch verschleiert.«
    »Awalim - das Wort habe ich schon einmal gehört.«
    »Awalim, das sind mehrere, eine nennt sich Almeh. Ich denke, Camilla Jacobs hieß einst Gamila, die Schöne, und war eine berühmte Almeh, denn sie lebte am Hof des Vizekönigs. Dort hat sie, anders als die Frauen in der Abgeschiedenheit, auch die Möglichkeit gehabt, Männer kennenzulernen.«
    »Das würde ihre wundervollen Bewegungen erklären!«
    »Natürlich. Und Sie tun sehr gut daran, von ihr zu lernen. Für die Promenade wählen wir Sandfarbe mit einem rauchblauen Rautenmuster und gleichfarbigem Besatz.«
     
    Sie hatten ein reichhaltiges Frühstück an Bord verzehrt, und wenig später legten sie in Bonn an. Lennard und Ursel schnatterten noch immer fasziniert von Schleppkähnen und Ozeandampfern, Schaufelrädern, Kolben und Zylindern, Dampfkesseln und Antriebswellen.
    »Nun lasst die nüchterne Technik mal hinter euch, Zwillinge, da
vorne wartet Onkel Sven auf euch, der uns nun in die Wunder der Zoologie einweisen möchte!«, riet Leonie ihnen und begrüßte Sven mit einer liebevollen Umarmung, die dieser kräftig erwiderte. Auch Hendryk begrüßte der alte Mann herzlich. Zu den Kindern aber beugte er sich nieder und schloss sie in die Arme.
    »Ihr seid ja tatsächlich in den letzten sechs Monaten wie die jungen Bäumchen gewachsen!«, meinte er. »Die da füttern euch wohl gut, was?«
    »Ja, Onkel Sven, wir werden jeden Tag satt«, antwortete Ursel, noch ein bisschen schüchtern, und Lennard fügte hinzu: »Wir dürfen sogar manchmal naschen.«
    »Donnerwetter, habt ihr es gut.«
    Leonie fiel auf, dass den beiden die vertrauliche Anrede bei ihrem väterlichen Freund offensichtlich leichter fiel als bei ihr, aber erzwingen konnte man eben nichts.
    Den Besuch des zoologischen Instituts konnte man jedenfalls als vollen Erfolg bezeichnen. Sowohl Sven als auch Hendryk hatten ihnen viel zu den dort ausgestellten ausgestopften Tieren zu erzählen, was den wissbegierigen Kindern Dutzende von Fragen entlockte, die ihnen mit großer Geduld und Anschaulichkeit beantwortet wurden. Auch Leonie hatte ihre Freude daran, und als sie vor einem mehrere Fuß langen Skelett einer Schlange stehen blieben, fiel ihr wieder die Spieldose des alten Hanno ein. Ihr analytischer Geist rieb sich daran. Ob man wohl eine mechanische Schlange so bauen konnte, dass sie sich wie im wirklichen Leben bewegte? Die Wirbelsäule war nichts anderes als eine Zusammenkettung von Gelenken.
    »Gnädige Frau, gnädige Frau, hat die Schlange Sie gelähmt?«
    »Was? Ach Ursel, nein. Ich dachte nur …«
    »Dachten wir auch gerade, Lennard und ich. Man könnte diese Gräten mit einem Lederschlauch beziehen und Schuppen draufmalen.«
    »Das sind keine Gräten, sondern Rippen, wie die hier!«, meinte Leonie

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