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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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und piekte Ursel in dieselben, sodass sie aufquietschte und rief: »Das kitzelt!«
    »Stellt euch mal vor, wie kitzelig erst so eine Schlange sein muss, mit den vielen Rippen, die sie hat!«

    »Aber man könnte sie aus Gräten herstellen«, schlug der pragmatische Lennard vor, der intensiv das Skelett studierte.
    »Ja, aber zuerst muss man wissen, wie die Wirbel zusammenarbeiten, denn sie muss sich ja in alle Richtungen bewegen können«, wandte Leonie ein und tippte sich mit dem Finger an die Unterlippe.
    »Das finden Sie bestimmt heraus!«
    »Vielleicht mit eurer Hilfe. Sven?«
    »Ja, Leonie?«
    »Hat schon mal jemand eine mechanische Schlange gebaut?«
    »Versucht hat es bestimmt schon jemand, aber ich vermute, das ist ein recht komplexes Vorhaben. Hannos Exemplar ist ja lediglich eine sich hebende Spirale, aber dir schwebt etwas anderes vor!«
    Sie fachsimpelten noch, als sie schließlich bei Gutermanns eintrafen, wo, wie es in der Bonner Gesellschaft üblich war, um zwei Uhr ein reiches Mittagessen auf sie wartete. Die Begrüßung war höflich, doch im Haus herrschte eine angespannte Stimmung. Immerhin hatte sich auch Edith eingefunden, mit der Leonie lebhaft plauderte. Ihre Stiefmutter hingegen, inzwischen hochschwanger, fand sie mürrisch, ihren Vater wortkarg. Immer wieder musterte er ihre Taille, als ob er sich vergewissern wollte, ob auch sie guter Hoffnung war. Die Blicke waren ihr entsetzlich unangenehm. Nur Rosalie plapperte und lachte munter herum und wollte den Zwillingen ihr Zimmer und ihre Spielsachen zeigen. Leonie hatte ihnen zuvor vorsichtig zu erklären versucht, dass das Mädchen anders war als sie selbst, viel jünger im Denken noch, und die beiden nahmen ihr kindliches Verhalten ungezwungen an und verschwanden mit ihr im Kinderzimmer, wo ihnen ihr Essen angerichtet wurde.
    Nach einem langen, schwülstigen Tischgebet, vom Hausherren mit Inbrunst vorgetragen, schleppte sich die Konversation ein wenig mühselig durch Suppe und Braten, und nach dem Essen zog Elfriede Gutermann sich aus Gründen der Schonung zurück, was Leonie erleichtert begrüßte. Gutermann nickte ihrem Gatten zu und bat ihn recht schroff, ihm in die Bibliothek zu folgen, Sven hingegen wollte den Zwillingen noch ein versprochenes Buch zeigen und ging ins Kinderzimmer hinauf. Leonie betrat mit Edith das Wohnzimmer.
    »Leg die Füße auf den Hocker, Leonie. Ihr seid früh aufgebrochen.«
    »Ja, um fünf sind wir aufgestanden. Diese Dampfverbindungen
sind ja schnell und nützlich, aber dadurch, dass man sich auf die Minute genau an den Fahrplan halten muss, sind die Vorbereitungen doch recht hektisch.«
    »So wird die neue Zeit werden - ein Hasten nach dem Minutenzeiger. Auch in den Fabriken müssen die Arbeiter sich pünktlich nach der Uhr richten, wenn die Maschinen laufen. Fortschritt hat ihren Preis.«
    Leonie hätte gerne noch weiter entspannt mit Edith geplaudert, auch über Vor- und Nachteile der neuen Technik, aber gerade eben drang die laute Stimme ihres Vaters durch die Tür.
    »Himmel, was tobt er denn!«, fragte sie, und die nächsten Worte waren deutlich zu verstehen.
    »Sie haben die Ehre meiner Familie beschmutzt!«
    »Das muss gerade mein Vater sagen!«, knirschte Leonie und war schon auf dem Weg zur Bibliothek. Ohne anzuklopfen, trat sie ein und sah den Rücken ihres Gatten, der in einem Stuhl saß, und ihren Vater, der sich vor ihm aufgebaut hatte. Gutermann war ein großer Mann mit einem schwammigen Bauch und schmalen Schultern, die schütteren grauen Haarsträhnen klebten ihm jetzt an seinem hochroten Kopf, und er funkelte sie zornig an.
    »Verlass den Raum, Leonora!«
    Sie stellte sich hinter Hendryk und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Nein, Vater. Sie haben soeben die Ehre meines Gatten in Frage gestellt, und ich habe ein Recht darauf zu wissen, warum.«
    »Du hast den Mund zu halten und zu schweigen. Ich werde die Auflösung dieser Ehe in die Wege leiten, einen Mann seiner Herkunft dulde ich nicht in unserer Familie.«
    Heiße Wut kochte in Leonie hoch.
    »Verzeihen Sie, Vater, aber das werden Sie nicht tun. Sie haben weder Recht noch Handhabe, sich in meine Ehe einzumischen, und schon gar nicht, ihre Auflösung zu betreiben. Und Sie haben ebenfalls keinen Grund, die Rechtschaffenheit meines Gatten in Zweifel zu ziehen.«
    »Habe ich nicht? Habe ich nicht? Er ist ein hergelaufener Taugenichts übelsten Leumunds, der sich hier eingeschlichen hat, um seinen betrügerischen Machenschaften

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