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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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violette Schatten warfen. Man spürte die Hitze unter einem dunstigen Himmel, in dem durch das gelbliche Grau ein staubiges Blau schimmerte. Sie waren ihr damals schon aufgefallen, weil sie eine so intensive Stimmung ausstrahlten, und sie fragte sich, ob jener Jussuf, dessen Signatur sehr klein unten vermerkt war, wohl in seinem Land als großer Künstler galt.
    »Er will mich ausnehmen wie eine Martinsgans«, grummelte Gawrila, als sie eintrat.
    »Aber Sie haben mit dem Schnabel nach ihm gehackt!«
    »Rrrrichtig!«
    Manchmal kam ihr russischer Akzent ein wenig durch, vor allem, wenn sie sich wirklich geärgert hatte. Aber dann lächelte sie Leonie an und nickte zu den Bildern hin.
    »Ihre Farben, Frau Mansel.«
    »Meine Farben?«
    »Die von dem Wüstenbild. Sie können sie tragen, das kann nicht jede. Manche sind Waldfrauen, die brauchen Moosgrün und Braun wie hier, andere Herbstblätter, Ocker und Bordeaux, einige Damen sind Eislandschaften mit Weiß, Schwarz und Lavendel. Sie brauchen Rotgold, Sonnengelb und Orange, mattes Grün, Rauchblau und Elfenbein. Ja, Elfenbein! Was wünschen Sie, Frau Mansel?«
    »Ein Kleid - oder zwei. Ich habe nichts mehr anzuziehen, Madame Gawrila!«, jammerte Leonie in übertriebenem Ton.
    »Morgens, mittags, Visite, Promenade, Ball oder Tee?«
    »Visite und Promenade.«
    Daraufhin hatte ihr die Couturière wieder einmal ihren Lieblingsvortrag
über Stil und Mode gehalten. Um sie ein wenig zu necken, liebäugelte Leonie mit einem geblümten Stoff, von dem sie wusste, dass die Meisterin ihn für gänzlich ungeeignet hielt.
    »Blümchen? Sie brauchen keine Blümchen. Blümchen brauchen Frauen, die nichts als Tändelei im Hirn haben, ganz junge Dinger ohne Ahnung.«
    »Gut, dann keine Blümchen. Aber wenigstens eine Rüsche am Saum?«
    »Brrrauchen Sie Rrrrüsche? Brauchen Sie Volant? Brauchen Sie Schnickschnack? Muss das Kleid Ihnen Haltung geben, oder geben Sie dem Kleid Gehalt?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie wissen nicht! Sie wissen nicht!« Gawrila rang dramatisch die Hände. »Haben Sie keinen Spiegel im Haus? Haben Sie keine Augen im Kopf?«
    Leonie begann zu lachen, und die Schneiderin verdrehte die Augen.
    »Sie nehmen mich auf den Arm, Frau Mansel!«
    »Nur ein ganz kleines bisschen, Madame Gawrila. Es ist noch nicht so lange her, dass ich gelernt habe, ein Kleid richtig zu tragen.«
    »Sie können Lumpen tragen, solange Sie keine Rüschen drannähen.«
    »Gut, aber ein wenig kostbarer als ein Lumpen darf der Stoff denn doch sein. Etwas wie dieser hier?« Sie zeigte auf ein blassrosa Halbseidengewebe.
    »Das Material ist richtig, die Farbe nicht. Ich hole Ihnen eine andere.«
    Es war das staubige Grün, das je nach Lichteinfall grau oder grünlich schimmerte. Und als sie es an sich hielt, musste Leonie wie üblich zustimmen. Es ließ ihre Haut aufleuchten und ihre Haare goldener wirken.
    »Es ist seltsam, ich hätte nie gedacht, dass ein so unauffälliger Stoff so wirken kann.«
    »Nicht an jeder Frau.«
    »Nein«, stimmte sie zu, und dann fiel ihr im Zusammenhang mit den Wüstenbildern etwas ein. »Ich kenne nur noch eine Dame, die sogar in Schlammfarbe überwältigend wirkt. Und je mehr ich ihre
Kreationen kenne, desto mehr vermute ich, sie müssten aus Ihrer Hand stammen.«
    »Wahrscheinlich.«
    Gawrila drapierte den Stoff um Leonie herum und zupfte ihn in Form.
    »Dabei ist sie ein ganz anderer Typ als ich!«
    »Nein, Sie sind sich sehr ähnlich. Sie ist die Schlange, Sie sind die Löwin, aber beide tragen Sie die Macht in sich, die keinen Zierrat braucht.«
    »Sie kennen Camilla Jacobs gut, nicht wahr?«
    »Wie eine Kundin, und über Kundinnen spreche ich nicht.«
    Leonie lächelte und drehte sich nach Gawrilas Anweisung um und hob die Arme.
    »Doch, Sie tun es. Ich hege den Verdacht, ich darf mich Ihrer Kunst nur erfreuen, weil Camilla ein gutes Wort für mich eingelegt hat.«
    Seufzend nickte die Couturière und nahm zwei Nadeln aus dem Mund, um sie in den Stoff zu stecken. »Sie nannte Sie eine vollendete Dame mit einem großen Herzen, aber einer schlechten Ratgeberin in Sachen Mode. Ich war misstrauisch, Frau Mansel, aber nun stimmte ich ihr zu. Sie hatten eine schlechte Ratgeberin.«
    »Und offensichtlich inzwischen eine sehr gute Freundin. Es gehen böse Gerüchte über sie herum, und ich wünschte, ich könnte etwas dagegen tun.«
    »Sie können nichts gegen die Wahrheit tun, Frau Mansel, Sie können nur gleichbleibend achtungsvoll und höflich bleiben, um den

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