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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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schenkten ihr schließlich den tiefen ruhigen Schlaf der Geborgenheit. Manchmal hatten
     die Worte auch hart geklungen, jedenfalls die der Männerstimme. Doch vielleicht gehörte diese Erinnerung nur zu den Traumstimmen
     aus Nächten, in denen Herbststürme um das Haus tobten, die alten Bäume knarren ließen und kalt durch die Fensterritzen krochen.
    Gregor hatte sich nicht mit leeren Floskeln aufgehalten, als Helena ihn eingeladen hatte, zum Abendessen zu bleiben. Er hatte
     gedankt, um Erlaubnis gebeten, nach Wein zu schicken, und dem eilfertig aufspringenden Filippoeine Münze gegeben. Die konnte nicht gering gewesen sein, denn der Krug war groß und der Wein süß und schwer.
    Er fragte nach der Toten in der Elbe, auch in Hamburg werde darüber geredet, doch in Altona sei man gewiss besser unterrichtet.
     Gregor Beaufort hatte die letzten Tage in Hamburg verbracht, um einen alten Studienfreund aus Göttingen zu treffen und endlich
     die große Stadt kennenzulernen. Er hatte auch einen der schon berühmten Musiknachmittage des Kantors Bach besucht und, so
     sagte er, zudem einige Inspiration für sein poetisches Werk erfahren.
    Also erzählte Helena, bis Jean sie mit einem «Im Übrigen weiß man noch gar nichts. Stimmt es, dass Ihr im
Kaiserhof
am Ness gewohnt habt?» unterbrach. Es stimmte, und nun war es an Gregor zu berichten. Jean kannte billige Gasthäuser, Kaschemmen
     und enge Wohnungen wie diese im ganzen Land, er hatte zahllose Nächte unter freiem Himmel oder tiefhängenden Zweigen geschlafen.
     Vornehme Gasthäuser jedoch, die eigentlich für ihn einzig angemessenen Domizile, waren ihm bisher verschlossen geblieben.
    «Schlaft Ihr schon, Rosina?» Gregors Stimme war ganz nah und holte sie zurück in das unordentliche Zimmer. «Ihr seid sicher
     müde, und es ist spät. Wenn Ihr trotzdem noch ein wenig wach bleiben könntet?» Er ignorierte die neugierigen Gesichter und
     sah nur Rosina an. «Ich möchte Euch eine Geschichte erzählen, und ich möchte Euch etwas fragen. Ich weiß», wandte er sich
     mit entschuldigendem Lächeln an Jean und Helena, «es ist bei Euch nicht üblich, viele Fragen zu stellen, aber vielleicht könntet
     Ihr mir vertrauen, Ihr werdet dann schnell verstehen.»
    Rosina war plötzlich hellwach, als sei unversehens etwas eingetreten, auf das sie, ohne es zu wissen, lange gewartet hatte,
     und glaubte sich doch noch in einem Traum. Als wiederhole sich eine oft gespielte Szene auf dem Theater, wusste sie seine
     Fragen. Aber sie wusste nicht, wie ihre Rolle in dieser Szene weiterging. Ergeben ausharren? Aufstehen und davonlaufen? Ihr
     Körper bewegte sich nicht, sie fühlte nur ihre Hände zu Fäusten werden, kalt und feucht, als gehörten sie nicht zu ihr.
    «Rosina?» Das war Helenas Stimme. «Möchtest du nicht lieber zu Bett gehen? Mir scheint, du schläfst beinahe schon.»
    «Nein, Helena. Es geht mir gut.» Rosina wusste jetzt, wie die Szene fortlief. Sie sah den Mann an, der ihr gegenübersaß, und
     wie in einem Spiegel erkannte sie in seinen Augen die gleiche Mischung aus Neugier, Sorge und Entschlossenheit, die sie nun
     selbst fühlte. Sie nickte ihm zu, und er begann.
    «Ich habe Euch erzählt, dass ich an der Universität in Göttingen studiert habe, Theologie und die Rechte, wie die meisten
     dort. Ich trage einen teuren Rock und habe die Muße, zu meinem Vergnügen durch das Land zu reisen, und sogar die Freiheit,
     mich in einer Komödie zu versuchen. Das muss auch leichtfertig erscheinen, und gewiss denkt Ihr, ich sollte besser ernsthaften
     Geschäften nachgehen. Tatsächlich tue ich hier genau das.»
    Er blickte Rosina prüfend an, und als er sicher war, dass sie seinen Worten aufmerksam folgte, fuhr er fort: «Ich habe ein
     verantwortungsreiches Erbe zu verwalten. Dass ich heute an diesem Tisch sitze, gehört dazu, auch wenn es seltsam erscheinen
     mag. Doch ich will Euch nicht mit Ausführungen über meine Besitzungen ermüden, sondernder Familienpflicht entsprechen, die der wahre Grund meiner Reise ist.»
    Er griff nach dem Weinkrug, füllte die Gläser nach und lehnte sich zurück, sodass sein Gesicht tief im Schatten lag.
    «Es ist eine lange Geschichte. Wo also soll ich beginnen? In der Mitte, beim Wichtigsten, das mag für heute genügen. Es ist
     die Geschichte des einzigen Bruders meines Vaters. Beide besaßen verheißungsvolle Kupfer- und Silberminen im Harz. Während
     sich die Stollen in den Minen meines Vaters als äußerst ertragreich erwiesen,

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