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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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nämlich sehr schönes goldenes Haar, natürlich spülte sie es mit Kamille,doch das tut jetzt nichts mehr zur Sache. Ich konnte ihr Gesicht sehen. Es gibt keinen Zweifel, es war Anna. Und ihr Begleiter,
     ich bin wirklich nicht ganz sicher, obwohl, andererseits bin ich doch sicher.
Ziemlich
sicher. Es war Matthias Paulung.»
    «Aha. Paulung.» Proovt tauchte die Feder in die Tinte und notierte den Namen auf einem frischen Papierbogen, als hätte er
     ihn nicht erst vor einer Stunde gehört. «Matthias, sagtet Ihr? Der Name sagt mir etwas, aber im Moment, leider, ich weiß nicht,
     wer er ist.»
    «Oh, Ihr müsst ihn nicht kennen. Er ist kein Mann von Bedeutung in unserer Stadt. Er ist Fischer, aber er hat sein Boot im
     letzten Herbst verloren, jetzt arbeitet er in Hamburg bei dem Neubau des Hanfmagazins am Ufer bei den Tranbrennereien. Er
     wohnt auch in Hamburg, heißt es. Sein Vater gehört zu den Stader Elblotsen, sie liegen schon lange miteinander im Streit.
     Und die Paulungs und die Hörnes auch, noch länger sogar. Natürlich reden die Leute dies und das darüber. Ich kümmere mich
     nie darum, was die Leute reden. Matthias und Anna», sie faltete die Hände im Schoß und rieb sanft die Daumen aneinander, «kannten
     sich schon seit ihrer Kindheit. Die Paulungs sind ja auch aus Övelgönne. Obwohl er sehr viel älter ist als sie, sie war neunzehn,
     vielleicht zwanzig, und er ist schon dreißig Jahre alt. Was da geredet wird, ist bestimmt nicht wahr.»
    «Bestimmt nicht. Aber wie Ihr sagtet: Ich weiß es besser zu deuten.»
    «Viel besser, ja.» Sie nickte mit bravem Lächeln und gesenkten Wimpern. «Womöglich wisst Ihr es schon. Die Leute sagen, Anna
     und Matthias Paulung waren heimlich verlobt. Schon vor einigen Jahren, als Matthias’ Vaternoch nicht nach Stade gegangen war, obwohl ich das nicht glaube, sie war da ja noch ein Kind. Zacharias Hörne hat ihr aber
     verboten, ihn zu sehen, und seit er in Hamburg war, hat sie ihn sicher auch nicht gesehen, obwohl man das nicht genau weiß.
     Zu Beginn der Adventszeit ist sie zu ihrer Tante gezogen, das werdet Ihr längst wissen, zu Madame Benning, und seitdem soll
     sie sich wieder heimlich mit ihm getroffen haben. Nach all den Jahren. So richtig heimlich war das nicht, jedenfalls sah man
     sie miteinander, sie taten ganz zufällig, doch das glaube ich nicht. Keiner glaubt das.» Sie holte tief Atem und rutschte
     auf die vordere Stuhlkante. «Jeder konnte sie sehen. Es ist schamlos, wenn man vor aller Augen gegen das Verbot des Vaters
     verstößt. Doch dann», sie richtete sich auf und reckte streng den Hals, «dann wollte Matthias sie nicht mehr.»
    «Aha?» Proovt glaubte die Trompete eines Herolds zu hören. Er begriff die Bedeutung ihres triumphierenden Blickes nicht und
     log: «Ich verstehe, er wollte sie nicht mehr. Wieso hat er sie dann vor dem Theater getroffen?»
    «Wartet. Die Leute sagen, dass sie an diesem Abend sogar mit ihm im Theater war, den ganzen Abend. Ihr könnt Westermann danach
     fragen, den Kontorschreiber meines Vaters. Der hat sie gesehen und viele andere auch, obwohl sie sich immer unter ihrem Tuch
     verborgen hat, was aber nichts nützte. Das sagt er. Trotzdem, Matthias Paulung wollte sie nicht mehr. Ich glaube, er hat sie
     gar nicht in das Theater mitgenommen, sondern sie ist ihm einfach gefolgt und hat sich ihm auf der Galerie aufgedrängt. Es
     heißt nämlich, sie habe ihn auch sonst bedrängt, vorher schon und immer wieder. Sie hat ihn in der Stadt abgepasst und soll
     sogar auf den Hamburger Bergzum Hanfmagazin gewandert sein, um ihn zu sehen. Stellt Euch das vor! Vor den Augen seines Meisters, des Bauhofinspektors
     gar. Wie schrecklich peinlich das für ihn gewesen muss.»
    «Warum, glaubt Ihr denn nun, wollte er sie nicht mehr?»
    Hilda zuckte mit den Achseln. «Was weiß ich? Sie wird ihm wohl zu männlich gewesen sein, wenn Ihr versteht, was ich meine.
     Sie war nicht sanft, wie es sich für eine Frau gehört, sie gab Widerworte und hatte Ideen. Ideen, sage ich Euch! Und ist es
     etwa schicklich, einem Mann nachzulaufen? Er wollte sie einfach nicht mehr. Die Leute sagen auch», nun beugte sie sich vor
     und senkte den Kopf und die Stimme, «sie sagen, Anna hat, nun ja, wie soll ich es ausdrücken? Sie hat die Grenze überschritten.»
    «Das sagtet Ihr schon, die Grenze zum Hamburger Gebiet.»
    «Nein. Die Grenze! So versteht mich doch. Sie hat sich ihm hingegeben. Stellt Euch das vor. Und nun, das sagen natürlich

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