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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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windgepeitschten Feldern. Ich empfand die Brise als erfrischend und stand eine ganze Weile nur da und schaute zu, wie die Bahn zwischen den Feldern in den Horizont hinein entschwand.
    »Hier entlang bitte, Mr. Ryder.«
    Der Reporter und Pedro standen ein paar Schritte weiter weg. Ich ging zu ihnen, und wir machten uns auf den Weg durch die grasbedeckten Felder. Dann und wann zerrten kräftige Windstöße an unseren Kleidern und schickten Wellen durch das Gras. Schließlich erreichten wir den Fuß eines Hügels, wo wir stehenblieben, um wieder zu Atem zu kommen.
    »Es ist nur ein kleines Stückchen dort hinauf«, sagte der Reporter und deutete zum Hügel hoch.
    Nach der Anstrengung des Marsches durch das hohe Gras war ich froh, als ich einen Trampelpfad sah, der den Hügel hinaufführte.
    »Tja«, sagte ich, »da ich nicht viel Zeit habe, sollten wir uns vielleicht besser auf den Weg machen.«
    »Natürlich, Mr. Ryder.«
    Der Reporter ging voraus auf dem Pfad, der sich in steilen Serpentinen emporschlängelte. Es gelang mir, mit seinem Tempo mitzuhalten, und ich war nur ein oder zwei Schritte hinter ihm. Pedro, den vielleicht seine schweren Taschen behinderten, fiel bald ganz zurück. Beim Aufstieg mußte ich an Fiona denken und daran, wie ich sie am Abend zuvor enttäuscht hatte, und es fiel mir auf, daß bei aller Selbstsicherheit, mit der ich bei meinem Aufenthalt bis jetzt agiert hatte, bei allem, was mir bis jetzt gelungen war, meine Handhabung gewisser Angelegenheiten – jedenfalls nach meinen Ansprüchen – noch einiges zu wünschen übrigließ. Einmal ganz abgesehen von den Unannehmlichkeiten, die ich Fiona bereitet hatte, war es, da die Ankunft meiner Eltern in dieser Stadt unmittelbar bevorstand, in höchstem Maße ärgerlich, daß ich eine solche Gelegenheit hatte vorübergehen lassen, die komplexen Bedürfnisse meiner Eltern mit denjenigen zu besprechen, deren Obhut sie anvertraut werden sollten. Als mir das Atmen immer schwerer fiel, spürte ich, daß sich allmählich wieder ein intensives Gefühl der Wut einstellte, Wut auf Sophie wegen der Verwirrung, die sie in meine Angelegenheiten gebracht hatte. Es war doch wohl nicht zuviel verlangt, daß sie in solch entscheidend wichtigen Augenblicken meines Lebens wie diesem ihr Durcheinander irgendwie für sich behielt. Alle möglichen Worte, die ich ihr auf einmal nur zu gerne gesagt hätte, erfüllten meinen Kopf, und wäre ich nicht so außer Atem gewesen, hätte ich sie wohl auch laut und deutlich ausgesprochen.
    Nachdem der Pfad zwei oder drei Biegungen gemacht hatte, blieben wir stehen, um auszuruhen. Ich hob den Kopf und sah, daß wir jetzt einen ausgedehnten Blick über die umliegende Landschaft hatten. Bis weit nach hinten erstreckte sich Feld um Feld. Nur ganz fern am Horizont war etwas auszumachen, das nach einem Gewirr von Gehöften aussah.
    »Herrlicher Ausblick«, sagte der Reporter keuchend und zerrte sich das Haar aus dem Gesicht. »Es ist so belebend, hier hinaufzukommen. Die frische Luft wird uns für den Rest des Tages aufrichten. Tja, am besten verlieren wir keine Zeit, so angenehm es hier auch ist.« Er lachte fröhlich, dann marschierte er weiter.
    Wie auch vorher schon hielt ich mich dicht hinter ihm, während Pedro zurückblieb. Dann, als wir uns ein besonders steiles Stück hinaufkämpften, rief Pedro plötzlich etwas von unten. Ich dachte, er wollte uns bitten, langsamer zu gehen, doch der Reporter blieb nicht stehen, sondern rief einfach nur einem kräftigen Windstoß entgegen über die Schulter zurück: »Was hast du gesagt?«
    Ich hörte, daß Pedro sich anstrengte, ein paar Schritte aufzuholen. Dann hörte ich ihn rufen:
    »Ich habe gesagt, wir scheinen den Scheißer überzeugt zu haben! Ich glaube, er wird mitspielen!«
    »Na ja«, rief der Reporter zurück, »bis jetzt hat er mitgemacht, aber bei diesen Typen kann man nie wissen! Also immer nur weiter schmeicheln! Bis hierher ist er mitgekommen, und er scheint ganz glücklich dabei zu sein! Aber ich glaube, der Idiot weiß nicht einmal, welche Bedeutung das Gebäude hat!«
    »Was sagen wir ihm, wenn er fragt?« rief Pedro. »Fragen wird er doch bestimmt.«
    »Wechsle einfach das Thema! Bitte ihn, eine andere Pose einzunehmen! Jede Bemerkung über sein Aussehen wird ihn ganz bestimmt ablenken! Aber wenn er immer weiter fragt, na ja, dann müssen wir es ihm wohl schließlich erzählen, aber bis dahin haben wir jede Menge Fotos, und dann kann der Scheißer nichts mehr

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