Die Ungetroesteten
müssen endlich Dinge, schöne Dinge miteinander unternehmen. Das habe ich heute vormittag eingesehen, als ich mit dem Bus zurückgefahren bin. Auch wenn wir nur eine Wohnung haben. Und so eine Küche.«
»Ja, ja«, sagte ich und steckte den Zündschlüssel ins Schloß. »Also. Weißt du, wie wir zu dieser Galerie kommen?«
Die Frage riß Sophie aus ihrem Trancezustand. »Ach«, sagte sie und legte die Hände an den Mund, als ob ihr gerade etwas eingefallen wäre. Dann sagte sie: »Vom Stadtzentrum aus würde ich den Weg wahrscheinlich finden. Aber von hier aus wohl nicht.«
Ich seufzte schwer. Ich spürte, daß die Dinge in Gefahr waren, wieder außer Kontrolle zu geraten, und ich fühlte etwas von der heftigen Wut zurückkehren, die ich heute schon einmal auf Sophie empfunden hatte, und zwar weil sie ein solches Chaos in mein Leben gebracht hatte. Doch dann hörte ich ihre Stimme neben mir fröhlich sagen:
»Wieso fragst du denn nicht den Parkplatzwächter? Der weiß das doch vielleicht.«
Sie deutete auf die Einfahrt zum Parkplatz, wo tatsächlich ein kleines Häuschen aus Holz stand, das eine uniformierte, nur von der Taille an aufwärts zu sehende Gestalt beherbergte.
»Na schön«, erwiderte ich. »Ich gehe ihn fragen.«
Ich stieg aus und ging auf das Holzhäuschen zu. Ein Wagen, der im Begriff war, die Einfriedung zu verlassen, hatte neben dem Häuschen gehalten, und als ich näher herankam, sah ich den Parkplatzwächter – einen kahlköpfigen, dicken Mann -, der sich durch die Luke hinauslehnte, jovial lächelte und zum Fahrer hin gestikulierte. Ihre Unterhaltung zog sich eine Weile hin, und ich wollte schon dazwischengehen, als das Auto endlich davonfuhr. Selbst dann noch folgte der Parkplatzwächter dem Wagen mit den Augen und sah zu, wie er über die lange kurvenreiche Straße entschwand, die um die Wohnanlage herumführte. Tatsächlich schien auch er wie erstarrt durch den Sonnenuntergang, und obwohl ich mich direkt unter seiner Luke räusperte, schaute er weiterhin verträumt dem Wagen nach. Schließlich stieß ich einfach barsch hervor: »Guten Abend.«
Der rundliche Mann schrak zusammen, dann schaute er zu mir herunter und antwortete: »Ach, guten Abend.«
»Tut mir leid, wenn ich Sie störe«, sagte ich. »Aber wir sind etwas in Eile. Wir müssen zur Galerie Karwinsky, aber sehen Sie, da ich nur zu Besuch hier in der Stadt bin, weiß ich natürlich nicht, wie wir von hier aus am schnellsten dahin kommen.«
»Zur Galerie Karwinsky.« Der Mann dachte einen Augenblick nach und sagte dann: »Also, um ehrlich zu sein, das ist nicht ganz unkompliziert. Meiner Meinung nach wäre es für Sie am einfachsten, wenn Sie dem Herrn folgen, der gerade eben weggefahren ist. In dem roten Wagen.« Er deutete in die Ferne. »Wie der Zufall es will, wohnt der Herr ganz in der Nähe der Galerie Karwinsky. Ich könnte natürlich versuchen, Ihnen den Weg zu erklären, aber dann müßte ich mich erst einmal hinsetzen und mir das ganz genau zurechtlegen, all diese verschiedenen Abzweigungen, besonders gegen Ende der Fahrt. Ich meine, wenn Sie von der Landstraße abfahren und sich in all diesen kleinen Straßen um die Bauernhöfe herum zurechtfinden müssen. Da ist es ganz bestimmt das beste, Sie folgen einfach dem Herrn in dem roten Wagen. Wenn ich mich nicht irre, wohnt er nur ein oder zwei Straßen von der Galerie Karwinsky entfernt. Das ist eine sehr schöne Gegend, und diesem Herrn dort und seiner Frau gefällt es da sehr. Es ist die Lage. Er hat mir erzählt, er hat ein nettes Häuschen mit Hühnern im Hinterhof und einem Apfelbaum. Eine wirklich nette Gegend für eine Kunstgalerie, wenn auch ein bißchen abgelegen. Ein Besuch dort lohnt sich wirklich. Der Herr in dem roten Wagen sagt, es würde ihm nicht im Traum einfallen, von dort wegzuziehen, auch wenn er einen ziemlich langen Weg zur Arbeit hat, hierher auf das Gelände. O ja, er arbeitet hier, er arbeitet in dem Verwaltungsgebäude« – der Mann lehnte sich plötzlich weit aus seiner Luke heraus und zeigte auf irgendwelche Fenster hinter sich – »in dem Gebäude da drüben. O nein, das sind hier nicht nur alles Wohnhäuser. Eine Anlage dieser Größe zu leiten, erfordert eine ganze Menge Papierkram. Der Herr in dem roten Auto hat hier vom ersten Tag an gearbeitet, als die Leute von den Wasserwerken hier angefangen haben. Und jetzt beaufsichtigt er die ganzen Instandhaltungsarbeiten auf dem Gelände. Das ist ein ganz schönes Stück Arbeit, und er hat
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