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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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weiß, jedenfalls hat er dann das gesagt, und die anderen haben gelacht und immer mehr gelacht. Ja wirklich, ich war ein voller Erfolg. Immer wieder haben sie mir gesagt, wie sehr sie mich vermissen würden, ich wäre solch ein Spaßvogel, ach, das ist schon so lange her, daß jemand so etwas zu mir gesagt hat, daß ich so herzlich aufgenommen worden bin, es war so warmherzig und nett. Aber trotzdem, wieso habe ich das wieder gemacht? Ich hatte mir geschworen, nie wieder so zu sein, deshalb bin ich ja hierhergekommen. Schon als ich zu dem Pub gegangen bin, habe ich mir den ganzen Weg die Straße runter gesagt, es war übrigens sehr kühl an dem Abend, neblig und sehr kühl, den ganzen Weg die Straße runter habe ich mir gesagt, das ist jetzt alles Jahre her, ich bin jetzt nicht mehr so, ich werde ihnen zeigen, wie ich jetzt bin, und das habe ich mir wieder und immer wieder gesagt und habe so versucht, mir Mut zu machen, aber kaum bin ich hineingegangen und habe das warme Feuer gesehen, da haben sie mich auch schon mit diesem Eselsgeschrei begrüßt, ach, es ist so einsam hier. Schön, hier muß ich keine Fratzen schneiden und komische Stimmen nachmachen, aber das hat wenigstens funktioniert. Es mag unerträglich gewesen sein, aber es hat funktioniert, sie haben mich alle geliebt, meine alten Kumpel von der Universität, die armen Idioten, die müssen gedacht haben, daß ich immer noch so bin. Die würden nie drauf kommen, daß meine Nachbarn hier glauben, ich wäre dieser ernste, ziemlich langweilige Engländer. Höflich, denken sie, aber sehr langweilig. Sehr einsam und sehr langweilig. Na, das ist immer noch besser, als wieder Parkers zu sein. Dieses Eselsgeschrei, ach je, wie erbärmlich, eine Gruppe von Männern mittleren Alters, die solch ein Geschrei machen, und ich, ich ziehe Fratzen und mache diese albernen Stimmen nach, meine Güte, das war wirklich ekelerregend. Aber ich konnte nichts dagegen machen, es ist schon so lange hergewesen, daß ich so unter Freunden gewesen bin. Und was ist mit dir, Ryder, sehnst du dich nicht manchmal auch nach den alten Zeiten? Trotz all deiner Erfolge? Ach ja, das wollte ich dir ja noch erzählen. Du denkst jetzt vielleicht nicht mehr viel an die anderen, aber glaube mir, sie denken ganz bestimmt noch viel an dich. Immer wenn sie eines von diesen kleinen Treffen haben, dann gibt es da, so scheint es, einen kleinen Teil des Abends, der ganz allein dir vorbehalten ist. O ja, ich habe das miterlebt. Sie gehen erst viele andere Namen durch, sie kommen nicht gern schon am Anfang zu dir, weißt du, sie laufen sich gern erst ein bißchen warm. Sie machen sogar kleine Pausen und tun dann alle so, als könnten sie sich an mehr Leute von damals nicht erinnern. Dann sagt schließlich einer: ›Was ist mit Ryder? Hat einer in letzter Zeit was von dem gehört?‹ Dann platzen sie alle heraus und machen das widerlichste Geräusch, das man sich denken kann, so ein Mittelding zwischen Hohngelächter und Würgelaut. Das machen sie dann alle zusammen, immer wieder, ja wirklich, und das ist dann alles während der ersten Minute nach der Erwähnung deines Namens. Dann fangen sie alle an zu lachen, und dann fangen sie an, so zu tun, als würden sie Klavier spielen, du weißt schon, so« – Parkhurst nahm einen arroganten Gesichtsausdruck an und spielte in höchst affektierter Weise auf einer unsichtbaren Tastatur – »das machen sie alle, dann geben sie noch mehr Würgelaute von sich. Dann fangen sie mit den Geschichten an, lauter kleine Sachen über dich, an die sie sich noch erinnern, und es ist ganz offensichtlich, daß sie sich diese Geschichten schon viele Male erzählt haben, denn sie wissen alle ganz genau, sie wissen ganz genau, an welchen Stellen sie wieder diese Laute von sich geben sollen, an welchen Stellen sie sagen müssen: ›Was? Das soll doch wohl ein Scherz sein!‹ und so weiter. Ach, sie haben wirklich ihren Spaß dabei. Als ich da war, hat sich gerade jemand an den Abend erinnert, an dem endlich die Prüfungen hinter uns lagen und als sie sich alle auf den Weg machten, um sich ordentlich zu besaufen, und da haben sie dich dann mit ganz ernstem Gesichtsausdruck die Straße heraufkommen sehen. Und sie haben zu dir gesagt: ›Na komm schon, Ryder, komm und besauf dich mit uns, bis du nicht mehr geradeaus gucken kannst!‹ Und du mußt wohl geantwortet haben, und an dieser Stelle macht dann der, der die Geschichte gerade erzählt, so ein Gesicht, du mußt wohl gesagt haben« –

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