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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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könnte die Glass Passions womöglich bewältigen. Das eigentliche Problem ist die Zeit. Aber wenn ich mich richtig hineinknie, richtig hart arbeite, nachts und so, glaube ich, ich könnte es schaffen.«
    Wir waren in den abgedunkelten Bereich des Atriums gelangt. Stephans Absätze hallten in der Leere wider, und kontrapunktisch dazu klapperten meine Pantoffeln. In dem Dunkel irgendwo zu unserer Rechten erkannte ich den bleichen Marmor des großen Brunnens, der jetzt ruhig und unbewegt dastand.
    »Ich weiß, es geht mich ja nichts an«, erwiderte ich. »Aber an Ihrer Stelle würde ich einfach weitermachen mit dem, was Sie ursprünglich spielen wollten. Sie haben sich das ausgesucht, und das sollte gut genug sein. Überhaupt ist es meiner Meinung nach immer ein Fehler, ein Programm noch im allerletzten Moment umzustellen...«
    »Aber, Mr. Ryder, Sie verstehen das nicht. Es ist wegen Mutter. Sie...«
    »Ich erinnere mich durchaus an all das, was Sie mir vorhin erzählt haben. Und, wie gesagt, ich will mich ja nicht einmischen. Aber bei allem Respekt, ich glaube, es kommt ein Moment im Leben, wo man zu seinen Entschlüssen stehen muß. Es kommt die Zeit zu sagen: ›Das bin ich, und das habe ich beschlossen zu tun.‹«
    »Ich weiß ja zu schätzen, was Sie da sagen, Mr. Ryder. Aber ich glaube, Sie sagen das vielleicht nur – ich weiß, Sie verfolgen nur die besten Absichten mit ihren Ratschlägen -, aber ich glaube, Sie sagen das alles nur, weil Sie sich nicht vorstellen können, daß ein Amateur wie ich den Kazan halbwegs anständig zuwege bringt, noch dazu in der kurzen Zeit, die ich zur Verfügung habe. Aber sehen Sie, ich habe während des Abendessens ständig und intensiv darüber nachgedacht, und ich bin wirklich überzeugt...«
    »Nein, wirklich, Sie haben mich mißverstanden«, sagte ich und verlor nun doch langsam die Geduld mit ihm. »Sie haben mich wirklich mißverstanden. Ich habe gemeint, Sie müssen sich durchsetzen.«
    Doch der junge Mann schien gar nicht zuzuhören. »Mir ist ja klar«, fuhr er fort, »daß es schon schrecklich spät ist und daß Sie doch etwas müde sind, Mr. Ryder. Aber ich überlege gerade. Wenn Sie nur ein paar Minuten für mich hätten, vielleicht nur so etwa eine Viertelstunde. Wir könnten jetzt in den Salon gehen, und ich spiele Ihnen ein kleines Stückchen von dem Kazan vor, nicht alles, nur ein kleines Stückchen. Dann könnten Sie mich wissen lassen, ob ich überhaupt eine Chance habe, das Ganze am Donnerstag abend so rüberzubringen, wie es sein sollte. Ach, Entschuldigung.«
    Wir waren ans hintere Ende des Atriums gelangt, und wir blieben im Dunkeln stehen, während Stephan die Tür aufschloß, die auf den Korridor hinausführte. Ich schaute zurück, und der ganze Bereich, in dem wir zu Abend gegessen hatten, war kaum mehr als ein erleuchteter Fleck in der Dunkelheit. Die Gäste schienen ihre Plätze wieder eingenommen zu haben, und ich sah die Gestalten der Kellner mit ihren Tabletts umherlaufen.
    Der Korridor war spärlich erleuchtet. Stephan schloß die Tür zum Atrium hinter uns wieder ab, und wir gingen Seite an Seite weiter, ohne miteinander zu sprechen. Nach einer Weile, als der junge Mann ein paarmal in meine Richtung geschaut hatte, sagte ich mir, daß er wohl auf meine Entscheidung wartete. Ich seufzte und sagte:
    »Ich würde Ihnen wirklich gern helfen. Ich habe viel Verständnis für Sie und Ihre augenblickliche Situation. Es ist nur so, daß es doch schon arg spät ist und...«
    »Ich weiß ja, Mr. Ryder, Sie sind jetzt doch ein wenig müde. Darf ich einen Vorschlag machen? Wie wäre es, wenn ich allein in den Salon ginge, und Sie könnten draußen an der Tür stehenbleiben und zuhören. Sobald Sie dann genug gehört haben, um sich eine Meinung zu bilden, könnten Sie ja ganz leise zu Ihrem Zimmer und dann zu Bett gehen. Ich wüßte dann natürlich nicht, ob Sie immer noch draußen stehen oder nicht, aber das wäre dann ein Riesenansporn für mich, bis ganz zum Ende mein Bestes zu geben – und das ist genau das, was ich brauehe. Sie könnten mir dann morgen früh sagen, ob Sie für Donnerstag abend überhaupt eine Chance für mich sehen.«
    Ich dachte darüber nach. »Na schön«, sagte ich schließlich. »Ihr Vorschlag scheint mir sehr vernünftig zu sein. Das kommt uns beiden sehr entgegen. Na schön, wir machen es so, wie Sie vorgeschlagen haben.«
    »Ach, Mr. Ryder, das ist wirklich ganz reizend von Ihnen. Sie ahnen gar nicht, was für eine große Hilfe

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