Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
Holzweg.«
»Aber offenbar
weißt du ganz genau, wovon ich rede. Also hast du’s auch gesagt.«
»Du hast
schon eine ganz spezielle Logik. Doch mit der kommst du nicht weit.«
»Und was
ist mit dem blöden Weihnachtsstern und der toten Taube und der toten Katze?«
»Hä? Weihnachtssterne
und tote Tauben und Katzen? Was soll das jetzt?«
»Als ob
ich dir das erklären müsste.«
»Spinnst
du jetzt ganz? Dich kann man ja wirklich nicht mehr ernst nehmen.«
»Ich denke
doch. Du wirst dich noch wundern!«
Sie musste dahinter kommen,
woher diese Clownsphobie rührte. Aber wie? Der Kontakt zu Moritz war seit seinen
offenen Worten – sie vertrug doch offene Worte, oder nicht? – gänzlich abgerissen.
Also blieb nur noch Tommy. Sie konnte ihn nach der Schule abfangen, seinen Stundenplan
hatte sie noch immer im Kopf.
Allerdings
– wenn Moritz irgendwann ein Unfall zustieß und die Polizei herausbekam, dass sie
Tommy ausgehorcht hatte, dann würde sie im Handumdrehen verdächtig.
Was wusste
sie von Moritz? Das einzig Unnormale, das ihr einfiel, war dieser Herzinfarkt, den
er mal erwähnt hatte, ohne näher darauf einzugehen.
So ein Herzinfarkt
kam doch nicht aus heiterem Himmel, nicht mit Mitte 30. Immerhin hatte sie aus ihm
herauskitzeln können, dass es so etwa zehn Jahre her war. Was war damals geschehen?
Vielleicht
sollte sie Hethel in die Mangel nehmen. Dazu müsste sie allerdings in den sauren
Apfel beißen und dieses unsägliche Lass-uns-Freunde-bleiben-Spiel mitspielen.
Die besten Ideen kamen ihr morgens,
so zwischen fünf und sechs. Das ging zwar auf Kosten ihres Schönheitsschlafes, aber
das war ihr im Moment egal. Hauptsache, die Handlung kam voran. Und so zimmerte
Paula an der Freundschaft zu Hethel. Und Hethel machte mit.
Gestern waren wir im Theater,
stell dir vor! Mein grünes Samtkleid hab ich angehabt, du kennst es doch, das, was
mir Frau Unstrut verkauft hat. Es würde fantastisch zu meinen Haaren passen, hat
sie gesagt. Rot-grün, das sind doch Komplimentierfarben. Solches Haar hätte sie
noch nie gesehen, hat sie gesagt, wirklich nicht. Ich hab es erst letzte Woche kürzen
lassen. Das Kleid. Alle haben mich bewundert, stell dir das mal vor! Und Moritz,
der hatte die todschicke Armani-Krawatte um, weißt du, die, die ich neulich für
ihn ausgesucht habe, neulich, als wir in Hamburg waren. In dem teuren Herrengeschäft
in der Mönckebergstraße, links neben der Parfümerie.
Es half alles nichts – Paulas Heldin
musste dieses seichte Geschwätz über sich ergehen lassen, auch wenn es noch so schwerfiel.
Nur so konnte die Intrige gesponnen werden.
Endlich. Endlich kam Hethel
auf den Punkt. Sie hatte es doch geahnt, dass die sich mal verplappern würde. Natürlich
hatte sie Hethel das Stichwort gegeben: Zirkus. Genauer gesagt, dass der ›Cirque
du Soleil‹ nach Bremen komme, mit seinem nagelneuen Programm. ›Alegria‹. So hochgelobt,
dass man sich das einfach nicht entgehen lassen dürfe. Besonders die Clownsnummern
sollten phänomenal sein.
Das sei
nichts für Hethel? Ach nein? Na, so was. Aber warum denn nicht?
Nun, der
gute Moritz war tatsächlich in einen Banküberfall geraten. Damals, in der Sparkassenfiliale
im Steintor. Die beiden Kerle mit den Clownsmasken – das hatte doch groß und breit
in der Zeitung gestanden. Ja, und der eine hatte Moritz die Pistole an die Schläfe
gehalten, während der andere das Geld einsackte. Und als die beiden schließlich
türmen wollten, löste sich ein Schuss und die Kugel verfehlte Moritz um Haaresbreite.
Und Moritz sackte zusammen. Aber nicht, weil er getroffen worden war, sondern weil
er einen Herzinfarkt bekommen hatte. Drei Wochen hatte er im Krankenhaus gelegen,
und dann monatelang bei einem Kollegen auf der Couch. Der konnte ihm auch ganz gut
helfen, aber das mit den Clowns hatte er nicht in den Griff gekriegt. Das heißt,
das wäre sogar fast schiefgegangen. Als der Kollege nämlich eine besondere Therapie
ausprobierte.
Konfrontationstherapie?
Ja, genau,
und da hatte Moritz noch mal einen Herzanfall bekommen, aber nur einen leichten.
Also, deshalb würden sie auch nie in den Zirkus gehen. Schade. Ob sie beide vielleicht
miteinander hin könnten, zu ›Alegria‹? Ohne Moritz?
Paulas Plan war jetzt klar. Der
Plan hieß Halloween. Halloween Horror Nights. Die Nacht vom 31. Oktober auf den
1. November.
Kapitel 14
»Weißt du schon das Neueste? Simon
ist verschwunden.«
»Wieso verschwunden?«
»Nikki
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