Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
Paula ins Wohnzimmer.
»Was ist
denn für Sie so dringlich, dass Sie das Verschwinden von Herrn Sternberg nicht interessiert?
Sie sind doch mit ihm befreundet, wie ich höre?«
»Also erstens
habe ich nicht gesagt, dass es mich nicht interessiert, zweitens hatten wir in letzter
Zeit wenig Kontakt, und außerdem bin ich gerade arbeitsmäßig stark belastet.«
»Oh. Ich
ging eigentlich davon aus, dass Sie nur Haus… ehm, dass Sie nicht berufstätig sind.«
»Ich arbeite
gerade an einem Roman.«
»An einem
Roman?«
»Ja, an
einem Roman. Sie brauchen gar nicht so blöd zu gucken.«
»Und Ihr Ton könnte etwas höflicher sein.« Er setzte sich. »Also, fangen wir an.«
Paula zuckte
auf all seine Fragen nur die Schultern. Nein, sie wusste nicht, warum Herr Sternberg
plötzlich weg war. Auch nicht, wohin er gereist sein könnte. Überallhin, schließlich
war er ja Reisejournalist. Außerdem verstand sie das ganze Getue nicht, bei einem
erwachsenen Mann. Und jetzt müsse der Herr Hauptkommissar sie entschuldigen, sie
müsse jetzt wirklich weiter arbeiten.
Strehler
runzelte die Stirn.
»Also, sehr
kooperativ sind Sie ja nicht.«
»Wie kann
ich kooperieren, wenn ich nichts weiß?«
Als er aus
dem Haus getreten war, ließ Paula die Tür etwas heftiger als sonst ins Schloss fallen.
Das Handlungskonzept stand jetzt.
Paula würde Moritz noch ein paar Sekunden – oder Minuten? – gönnen, sodass sich
ihre Heldin die Clownsmaske abreißen und Moritz zu erkennen geben konnte. Und dann
würde er den ultimativen Infarkt kriegen. Plötzlicher Mannstod. Damit schien das
Problem gelöst.
»Schon wieder? Ja, ist denn das
nötig? Wir können doch telefonisch …«
Nein, Hauptkommissar
Strehler wollte noch mal persönlich vorbeikommen.
Nun, wenn
es unbedingt sein musste, dann am besten gleich, dann war die Sache erledigt.
»Frau Assmann.
Herr Sternberg ist jetzt schon seit zwei Wochen verschwunden. Wir gehen inzwischen
davon aus, dass ihm etwas zugestoßen sein muss.«
»Also, Herr
Kommissar, ich kann Ihnen da beim besten Willen nicht helfen.«
»Sie scheint
das ja ziemlich kaltzulassen.«
»Was heißt
kalt, ich sagte ja schon beim letzten Mal, dass unser Kontakt nicht mehr intensiv
war.«
»Ich habe
da etwas von Eifersucht und Szenen gehört. Hatten Sie ein Verhältnis mit Herrn Sternberg?«
»Na, und
wenn schon, was tut das zur Sache?«
»In solchen
Fällen interessiert uns alles. Außerdem gab es da wohl auch einige unschöne Gerüchte.«
»Wo haben
Sie denn das her? Aber ja, es stimmt. Die hat Simon in die Welt gesetzt, der tickt
doch nicht mehr ganz richtig, seit … seit einiger Zeit.«
»Seit wann?«
»Seit dem
Autounfall.«
»Welchem
Autounfall?«
»Dem in
Frankreich, im letzten September. Aber das ist nun wirklich Schnee von gestern.«
»Und Sie
haben diese Anschuldigungen so einfach hingenommen?«
»Natürlich
nicht. Ich habe ihn zur Rede gestellt. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn verklagen
würde.«
»Sie hatten
also einen wahnsinnigen Zorn auf ihn?«
»Hätten
Sie das etwa nicht?«
Hauptkommissar
Strehler runzelte die Stirn.
»Oh! Wollen
Sie mir unterstellen, dass ich etwas mit seinem Verschwinden zu tun haben könnte?«
»Ich unterstelle
gar nichts. Ich frage nur.«
Simon blieb verschwunden, und der
Kommissar auch. Der hatte dann wohl doch eingesehen, dass Herr Sternberg nicht abgängig
war, sondern irgendwo an einem sonnigen Strand den hübschen Mädchen nachschaute.
Apropos
hübsche Mädchen. Laut Markus war Nikki jetzt mit Ivor zusammen, dem Kameramann,
der damals ihre Curry-Allergie hautnah miterlebt hatte. Ivor war russischstämmig,
was er jedoch mit einer leichten Namenskorrektur verschleierte, wer weiß warum.
Ein gestandenes Mannsbild von Ende 20, blond, blauäugig, breitschultrig, stämmig.
Außerdem hatte er beste Kontakte zu renommierten Produzenten.
Dass sich
Nikki so schnell anderweitig tröstete, verblüffte alle am Set. Nicht aber Paula.
Wer sagte denn, dass Nikki erst jetzt mit Ivor angebandelt hatte? Vielleicht war
sie ja die ganze Zeit zweigleisig gefahren. Vielleicht hatte ihr Simon nicht in jeder Hinsicht genügt. So konnte man die Geschichte doch auch sehen. Und
Simon hatte herausbekommen, dass ihm das kleine Luder Hörner aufgesetzt hatte. Hatte
sein Köfferchen gepackt und das Weite gesucht.
Hauptkommissar
Strehler sollten auf jeden Fall in punkto bezaubernde Nikki die Augen geöffnet werden.
Aber das war nicht Paulas Job. Je weniger sie mit ihm zu tun
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