Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
kam
heute ganz aufgelöst an den Set. Er ist weg, einfach weg, ohne ein Wort. Seit gestern.«
»Na, so
was.«
»Ja, findest
du das nicht komisch?«
»Wieso?
Wahrscheinlich hat er von seinem Dummchen genug gehabt.«
»Und spaziert
seelenruhig aus der eigenen Wohnung? Ohne was zu sagen? Wenn er von ihr genug gehabt
hätte, hätte er doch sie vor die Tür gesetzt.«
»Weißt du,
Markus, eigentlich ist mir das völlig wurscht. Was geht mich Simon an?«
»Also, Nikki
will zur Polizei, eine Vermisstenanzeige aufgeben.«
»Hach. Was
glaubst du, was die dazu sagen? Wenn ein erwachsener Mann mal ein paar Stunden weg
ist?«
»Es sind
jetzt schon mehr als 24 Stunden.«
»Noch nie
was davon gehört? Schatz, ich geh mal kurz um die Ecke, Zigaretten holen?«
»Also, Paula,
wie kannst du nur …«
Das mit dem Morden war gar nicht
so einfach. Das hatte sie sich leichter vorgestellt. Der Halloween-Plan hatte deutliche
Schwachstellen. Paula räsonierte, und mit ihr ihre Heldin. Beide hatten das gleiche
Problem. Es gab Für und Wider, und die mussten gegeneinander abgewogen werden.
Pro:
(1): Sie
konnte nicht entdeckt werden. So klein und zart, wie sie war, würde sie jeder für
ein Kind halten. Für ein Kind mit Clownsmaske, das ›trick or treat‹ spielte.
(2): Es
war ein natürlicher Tod. Keiner konnte daran zweifeln, dass der Schreck ihn getötet
hatte. Besonders, wenn man sich seine Krankengeschichte anschaute.
(3): Es
entfiel durch (2) ein ganz gravierendes Pro-blem, nämlich die Leiche verschwinden
lassen zu müssen. Sie war bisher nur auf eine wirklich probate Methode gestoßen,
und die entstammte nicht einem Krimi, sondern der Tageszeitung. Nach einer kanadischen
Studie waren in den letzten zehn Jahren rund 200 Passagiere von Luxuslinern über
Bord gegangen. Wer wusste schon, was geschehen war, wenn plötzlich eine Kabine leer
blieb? Und wer sollte ermitteln? Auf diesen schwimmenden Bettenburgen gab es keine
Polizei. Aber, wie gesagt, bei dem Halloween-Plan musste sie ja keine Leiche entsorgen.
Contra:
Eigentlich
fand sie nur ein Gegenargument. Das allerdings war gewichtig. Wenn Moritz vor Schreck
auf der Stelle tot umfiel, dann würde er gar nicht mehr mitkriegen, dass er umgebracht
wurde. Und dass sie es war, die ihm sein fieses Verhalten heimzahlte. Und genau
darum ging es ihr doch.
Paula war in einer Sackgasse. Sie
wollte nicht von ihrer Grundidee ablassen, musste aber eine Lösung für das Rache-Problem
finden. Diese Schwachstelle musste ausgebügelt werden.
Ihr Grübeln
wurde von heftigem Läuten unterbrochen. Sie ging zur Tür.
»Oh, Markus,
du bist’s. Was willst du denn?«
»Also, ich
muss es dir erzählen.«
»Was denn?«
»Das Neueste
von Nikki und Simon.«
»Ist Simon
wieder aufgetaucht?«
»Nein. Aber
Nikki war jetzt tatsächlich bei der Polizei.«
»Ach.«
»Ja, und
ich musste sie begleiten.«
»Du? Warum
denn das?«
»Na, sie
hat sich nicht allein getraut.«
»Typisch.
Und was haben die dazu gesagt? Die haben das doch bestimmt nicht ernst genommen.«
»Hast du
eine Ahnung. Dieser Kommissar ist total auf Nikki abgefahren. Nikki hat natürlich
alle Register gezogen. Sie hat auf Teufel komm raus mit ihm geflirtet und dann auch
noch ein paar Krokodilstränen rausgedrückt – na, du kannst es dir bestimmt vorstellen.«
Paula nickte.
»Sie hat
allerdings ziemlich viel geplappert. Auch von dir. Dass du wohl eifersüchtig seiest.
Beziehungsweise, dass Simon das gesagt habe. Ja, und dass da dieser komische Vorfall
war, du weißt schon, mit dem anaphylaktischen Schock.«
»Oh.«
»Aber diese
unsäglichen Gerüchte hat sie Gott sei Dank nicht breitgetreten. Allerdings …«
»Was, allerdings?«
»Nun, der
Kommissar hat schon nachgehakt. Wegen der Eifersucht, und ob Nikki sich vorstellen
könne, dass du ihr nicht wohlgesonnen seiest. Dass du ihr womöglich schaden wolltest.«
»Nein! Und
was hat Nikki geantwortet?«
»Na ja,
also, vorstellen könne sie sich das vielleicht doch.«
»Diese hinterhältige
Schlange!«
Paula flüchtete sich wieder in ihr
Romanszenario. Sie war diese blöde Geschichte mit Nikki und Simon nun wirklich leid.
Außerdem wollte, ja, musste sie weiterkommen mit ihrem Komplott. Wehe, es störte
sie noch mal einer.
»Vielleicht wäre es besser, wenn
wir uns drinnen unterhalten könnten?«
»Wenn es
unbedingt sein muss. Aber ich habe eigentlich Dringenderes zu tun.«
»Nun, das
kommt auf den Standpunkt an.«
Hauptkommissar
Strehler folgte
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