Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
anrichten können. Die
ziehen richtige Verwüstungsschneisen durch die Wälder.«
»Ja, im
Rudel. Aber hast du schon mal ein Rudel Wildschweine im Bürgerpark gesehen?«
»Um einen
Menschen so kaputt zu machen, reicht eine Sau mit ihren Frischlingen. Die ist dann
nämlich auf 180.«
»Wurfzeit
ist aber im Frühjahr.«
»Musst du
bei allem einen draufsetzen? Wie dein Oberlehrer?« Paula verzog den Mund. »Immerhin
sind sie dann noch jung: Soviel ich weiß, werden die Kleinen fast vier Monate lang
gestillt. Aber egal, wie viele Wildschweine das waren – auf jeden Fall ist diese Leiche nicht mein Problem.«
»Das hoffe
ich sehr, Paula.«
»Also Jule.
Was soll das? Noch ein Wort und wir sind geschiedene Leute.«
»Jetzt beruhige
dich, so hab ich’s nicht gemeint.«
»Warst du
eigentlich mit Strehler allein zugange?«
»Nein, da
saß so ein Friesentyp dabei, du weißt schon, groß, blond, blauäugig. Kommissar Brakelmann
oder so ähnlich. Der hat aber keinen Ton gesagt.«
Also war
Daniel jetzt doch wieder im Süden. Schade. Der hatte wenigstens vernünftige Ansichten
gehabt.
»Lukas, entschuldige, wenn ich dir
schon wieder mit der alten Sache komme. Aber dieser Kommissar hat jetzt auch noch
Jule in die Mangel genommen. So langsam reicht es … Ja … Und stell dir vor, die
Leiche vom Bürgerpark ist nun auch auf dem Tapet … Ja, genau die … Wie bitte? …
Aber man wird doch feststellen können, seit wann der tot ist und ob der schon lange
dort liegt … Ja? … Oh, sogar das? … Wie heißt das? Forensische Geschlechts- und
Altersdiagnostik? … Und das geht auch am blanken Skelett? … Was? Die DNA auch?«
Paula hatte
geglaubt, das gäbe es nur in diesen realitätsfernen Fernsehkrimis, die sie alle
für maßlos übertrieben hielt.
»Und wie
lange dauert so was? … Na, du bist gut … Ich will hier nicht rumsitzen und abwarten.
Mit einem Mal sitze ich selbst drin.« Sie hielt den Hörer vom Ohr weg. Das juristische
Kauderwelsch, das jetzt auf sie herunterprasselte, war ihr doch zu viel. »Aber sag,
kannst du als Anwalt nicht einfach nachfragen? Ich denke, du hast so gute Beziehungen
zum Polizeipräsidenten. Du sagtest doch mal, du würdest mit ihm Golf spielen … Ja?
… Okay, danke. Das ist wirklich lieb von dir.«
Dass sie
mal auf solch blöde Beziehungen angewiesen sein würde, das hätte sie nicht gedacht.
Kaum hatte
Paula den Hörer aus der Hand gelegt, klingelte es erneut. Oh nein. Schon wieder
Strehler. Frau Assmann möge bitte aufs Revier kommen. Es hätten sich neue Aspekte
ergeben.
»Was für
Aspekte?«
»Das erfahren
Sie, sobald Sie da sind.«
»Sag mal, Lukas, muss ich mir das
gefallen lassen?«
Nein, natürlich
nicht. Und diesmal war Lukas auch kein bisschen zögerlich. Selbstverständlich kam
er mit. Schließlich musste diesen unterschwelligen Beschuldigungen jetzt ein für
alle Mal ein P vorgesetzt werden.
»Tja, Frau Assmann, es sieht nicht
gut für Sie aus. Wir haben hier eine männliche Leiche in passendem Alter, die offenbar
von niemandem vermisst wird. Es könnte also durchaus Simon Sternberg sein.«
Strehler
lehnte sich in seinem Stuhl zurück, der neue Blassblonde spielte mit seinem Kugelschreiber
herum.
»Das ist
aber doch sehr spekulativ, Herr Kommissar«, warf Lukas ein.
»Hauptkommissar,
bitte.«
»Entschuldigung,
Herr Haupt kommissar. Aber bevor wir hier weiterreden, muss ich darauf bestehen,
dass Sie uns genauer aufklären. Es kursieren ja die wildesten Gerüchte in den Medien
– über Leichenteile beziehungsweise Skelettteile im Bürgerpark, über stöbernde Wildschweine
und was weiß ich alles.«
»Nun, zumindest
so viel kann ich Ihnen sagen: Was im ›Weser-Kurier‹ stand, stimmt insofern, als
diese Wandergruppe« – Paula verdrehte die Augen – »frühmorgens an der angegebenen
Stelle einen Schädel fand. Als dann zwei unserer Polizisten mit ihrem Spürhund ankamen
und die Umgebung absuchten, brach der Hund ins tiefste Dickicht ein und kam doch
tatsächlich mit einem Handschuh heraus, in dem Fingerknochen steckten. Daraufhin
wurde natürlich sofort Verstärkung angefordert. Die Kollegen rückten mit Spaten
an und schlugen sich den Weg ins Unterholz frei. Dabei stießen sie dann auf eine
Leiche in dicker Winterkleidung – ohne Kopf natürlich. Wir vermuten, dass ein Tier,
höchstwahrscheinlich ein Fuchs, den Schädel 30, 40 Meter weit bis zum Fußweg geschleppt
hat.«
»Und was,
bitte schön, hat das mit Frau Assmann zu tun?«
»Nun, wie
ich
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