Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
Frau Prof. Dr. Emma Schotter, die selbst zur schreibenden
Zunft gehörte. Blanke Schikane natürlich, denn Paula war früher mal mit ihr aneinandergeraten,
lange bevor die Schotter zur Stiftung ›Poesie im Park‹ gestoßen war. Mit dem Motto
›Poesie promeniert‹ hatte sie sich profilieren wollen, war allerdings vielerorts
auf herbe Kritik, zum Teil sogar auf Spott und Hohn gestoßen.
Wie gut,
dass es nicht ihr Gedicht war, das nun durch einen vor sich hin faulenden Toten
in Verruf kam. Ob man wohl feststellen konnte, wie lange die Leiche eine Leiche
war?
»Wie soll ich das wissen? Also,
ich bitte Sie, ich war schließlich nicht mit ihm verheiratet. Warum fragen Sie überhaupt?«
Natürlich. Das hätte sie sich denken können. »Dann klappern Sie eben alle Bremer
Zahnarztpraxen ab, dann werden Sie schon … Ach, wirklich?« Paula nahm den Hörer
in die andere Hand. Seit Kurzem hatte sie ein leichtes Zittern im linken Arm, wahrscheinlich
von all dem Stress. »Nun, vielleicht waren seine Zähne ja völlig okay. Oder er hatte
alles im Ausland machen lassen, dort ist es bekanntlich viel billiger. Das liegt
doch auf der Hand, schließlich war er ja dauernd unterwegs.«
Wie bitte?
Warum sie in der Vergangenheit sprach? Paula traute ihren Ohren nicht. Das schlug
dem Fass den Boden aus.
»Sie reden
doch auch die ganze Zeit so, als ob er tot wäre. Sie haben das doch aufgebracht,
nicht ich.«
Nein, Herr
Hauptkommissar. Das war natürlich ein Versprecher gewesen. Sie war nach wie vor
davon überzeugt, dass Simon Sternberg lebte, dass er sogar ganz prima lebte.
»Aber zum
Identifizieren der Leiche muss ich wohl nicht kommen, oder? In der Zeitung stand
schließlich, dass es da nichts mehr zu sehen gibt.«
Gut. Gott
sei Dank. Konnten die Gerichtsmediziner überhaupt noch feststellen, wie lange der
da schon lag? Ach, doch? Na ja, dann …
»Was hat Strehler denn von dir gewollt?«
Paula schaute Jule forschend an.
»Er wollte
wissen, wie ihr auseinander gegangen seid.«
»Warum das
denn? Das weiß er doch schon ewig. Was hast du gesagt?«
»Nun, ich
habe nur gesagt, wie es war. Dass du sauer auf Simon warst. Dass ihr Streit hattet
wegen der Vergiftungsgerüchte, und wegen der toten Tiere.«
»Das hast
du ihm auch auf die Nase gebunden? Das hatte doch gar nichts damit zu tun.«
»Aber du
hast damals doch geglaubt …«
»Und du
erzählst es brühwarm weiter. Also, Jule, dass du so blöd bist. Du bist mir eine
schöne Freundin. Der schustert sich jetzt ein ganz tolles Motiv zusammen.«
»Leider
warst du ja wohl auch die Letzte, die ihn gesehen hat.«
»Menschenskind,
Jule, glaubst du etwa auch …?«
»Quatsch.
Aber dieser Hauptkommissar denkt natürlich anders. Für ihn hattest du ein Motiv
und die Gelegenheit.« Jule schaute Paula an. »Und dann sind da noch diese beiden
Leichen.«
»Was, um
Himmels willen, habe ich mit den Leichen zu tun?«
»Nun, der
Detektiv war in den Fall verwickelt, das kannst du nicht abstreiten. Möglicherweise
wusste er ja etwas, vielleicht hätte er sogar eine Aussage machen können.«
»Wenn er
nicht das Weite gesucht hätte. Aber vielleicht hätte er mich ja auch entlastet.«
»Das sieht
dieser Strehler wohl anders.«
»Ja, klar.
Das weiß ich.« Paula zögerte einen Moment. »Von der Erpressung hat er nicht gesprochen?«
»Von welcher
Erpressung?«
»Ach, vergiss
es. Strehler ist ein durch und durch misstrauischer Typ. Der würde seiner eigenen
Großmutter nicht glauben. Und er hat mich nun mal auf dem Kieker, er kann mich einfach
nicht leiden. Außerdem ist er unfähig. In der Wulffhorst-Sache hat er doch überhaupt
nichts rausgefunden. Noch nicht mal, ob es ein Unfall oder Mord war.«
»Nun ja
…«
»Und die
Leiche am ›Lyrischen Pfad‹, die hat nun wirklich nichts mit der Geschichte zu tun.
Das müsste doch zu klären sein, mit ein bisschen gutem Willen.« Paula runzelte die
Stirn. »Überhaupt – kann denn eine Leiche so lange im Bürgerpark rumliegen, ohne
dass einer drüberstolpert? Das ist doch unwahrscheinlich. Ständig sind dort Leute
unterwegs, mit Hunden, mit neugierigen Kindern …«
»Hunde sind
an der Leine zu führen.«
»Du klingst
wie ein Verbotsschild. Glaubst du etwa, die Leute halten sich daran? Also ich denke,
die Leiche kann gar nicht lange dort gelegen haben, sonst wäre sie schon längst
gefunden worden.«
»Und warum
ist sie dann nicht mehr identifizierbar?«
»Wegen der
Wildschweine natürlich. Hast du eine Ahnung, was die alles
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