Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
Arbeit natürlich recht anstrengend. Zwar setzte sich Paula immer wieder
mit dem Laptop auf ihren kleinen Balkon, aber da wehte meist kein Lüftchen. Als
einziger Ausweg blieb der abendliche Gang in den Biergarten. Zwei gab es in ihrer
Nähe, und zwar im Kleingartengebiet. Der eine hieß ›Zum stillen Frieden‹
und lag bezeichnenderweise direkt an der Bahnlinie Bremen-Hamburg. Jedes Mal, wenn
ein IC, ICE oder Metronom vorbeifuhr, hieß es denn auch ›Ein Zuch!‹, und mit einem
Zuch wurde der Schnaps hinuntergekippt. Dass das bei den oft im Minutentakt fahrenden
Zügen die Stimmung anheizte, war klar – manchmal allerdings heftiger, als es einem
lieb sein konnte.
Der andere
Biergarten, obwohl auch nicht viel weiter vom Bahndamm entfernt und auf der gegenüberliegenden
Seite, gefiel Paula sehr viel besser. ›Der Leierkasten‹. Unter Eichen
und Kastanien und bunten Glühlämpchen war man bestens aufgehoben. Und für die Qualität
des Bieres und des Essens bürgte ein Pulk von Fahrrädern.
»Schade,
dass gerade keine Bundesliga ist. Bei jedem Werder-Spiel ist hier der Bär los, da
wird der Fernseher in den Garten gestellt. Das solltest du mal erleben.«
Sie hatte
sich wieder mit Daniel Fichte verabredet, wobei sie beide kein Wort über das leichtsinnige
Gelage von neulich verloren, genauso wenig wie über Sternberg, Strehler und Co.
»Du kennst
dich ja ganz schön in der Kneipenszene aus.«
»Nur mit
Biergärten. Es ist bei diesem Wetter einfach schön, im Freien zu sitzen. Besonders,
wenn man keinen eigenen Garten hat.«
Nun, eigentlich
hatte sie ja einen, aber in dem konnte Robert jetzt seine Rosen beschneiden.
Von ihrem
Roman sprach Paula nicht mehr, obwohl ihr das Thema auf den Nägeln brannte. Aber
als sie es einmal erwähnte, an besagtem Abend, da war sie auf die gleiche Reaktion
wie bei Strehler gestoßen. Die beiden Herren hatten offenbar keine allzu hohe Meinung
von schreibenden Frauen. Wenn Daniel Fichte allerdings gewusst hätte, dass die Romanhandlung
in ein Verbrechen mündete, hätte er vielleicht schon Interesse gezeigt. Aber diese
Art von Interesse wollte Paula dann doch nicht wecken.
»Bist du
hier eigentlich Werder-Fan geworden? Oder hängst du an einem süddeutschen Verein?
Doch hoffentlich nicht an Bayern München?«
»Nein, keine
Sorge. Die Bayern sind mir egal. Aber ich komme schon in Schwierigkeiten, wenn hier
der SC Freiburg aufläuft. Dann schlägt mein Badener Herz doch höher.«
»Das sei
dir gegönnt, zumindest in dieser Saison.«
»Ja, es
ist wirklich traurig, dass sie wieder gegen den Abstieg kämpfen.«
Es wurde
immer voller um sie herum, anscheinend kamen jetzt auch all diejenigen, die zu Hause
noch die Tagesschau geguckt hatten. Plötzlich zuckte Paula zusammen.
»Daniel,
schau mal, dort drüben. Ist das nicht der Strehler, der mit der dicken Blonden?«
Natürlich
war es Strehler.
»Sollen
wir uns verdrücken?«
Daniel Fichte,
etwas blasser um die Nase, nickte. »Ich geh mal zahlen.«
Er stand
auf, um sich zur Bedienung durchzukämpfen, und genau in diesem Moment passierte
es. Der Hauptkommissar hatte sie entdeckt. Er steuerte geradewegs auf sie zu.
»Fichte,
Sie hier?« Und mit einem Blick zu Paula: »Sie auch?«
»Wer ist
das, Bodo?«
»Ach, Inge,
das ist Daniel Fichte, mein Mitarbeiter. Und Frau Assmann.« Strehler zögerte einen
Moment. »Und das ist meine Frau.«
»Das ist
aber nett, dass ich auch mal jemanden aus dem Kommissariat kennenlerne. Arbeiten
Sie beide dort?«
Bevor Paula
antworten konnte, war Inge Strehler neben sie auf die Bank geplumpst.
»Eigentlich
wollte ich gerade zahlen, Chef.« Daniel Fichte stand unschlüssig herum.
»Wieso denn?
Wir können doch zusammen was trinken, nicht wahr, Bodo? Wissen Sie, wir wohnen drüben
in der Metzer Straße, also fast um die Ecke. Mit dem Fahrrad ist das ein Klacks.«
Frau Strehler strahlte. »Wir fahren nämlich seit Neuestem Tandem. Das ist ganz toll,
das macht einen Riesenspaß. Auf jeden Fall ist es ein völlig neues …«
Aber Paula
hörte nicht auf das, was Frau Strehler von sich gab, sondern auf die verhaltenen
Männerstimmen hinter ihr.
»Mensch,
Fichte, wie kommen Sie dazu, mit ihr hier herumzusitzen?«
»Also, Chef,
das ist anders, als es aussieht …«
»Das ist
doch eindeutig.«
»Nein, nein
… ich wollte doch nur …«
Paula stand
auf. »Entschuldigen Sie mich, aber ich glaube, ich muss jetzt doch gehen.«
»Das ist
aber schade. Vielleicht will Ihr Kollege ja noch ein bisschen
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