Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
nicht
so ohne Weiteres. Beamtenbeleidigung mit Tätlichkeit, das konnte, das durfte nicht
ungeahndet bleiben.
Was nun?
Nun, man
würde sehen. Paula würde von ihnen hören.
»Wieso bist du denn hier?«
»Wieso?
Na, du bist gut. Dein Intimus Simon hat angerufen, in heller Aufregung. Dass du
nicht zu eurer Verabredung gekommen seiest. Dass du auch nicht angerufen hättest.
Dass dir was passiert sein müsse.« Robert fixierte sie grimmig. »So viel Besorgnis
lässt ja tief blicken.«
Ja, und
dann hatte er natürlich Lukas angerufen, Lukas, den Notnagel. Und der hatte ihm
erzählt, dass sie auf der Wache säße. Und nun war er hier. Entsetzt. Erbost. Unklar
schien, was ihn mehr erboste – Paulas Gesetzesübertretung oder ihr besorgter Busenfreund
Simon.
»Lasst uns
doch eine Kleinigkeit essen gehen. Zu dem Italiener am Bahnübergang. Die haben eine
gute Küche, ich war schon öfter dort.«
Paula nickte.
»Vernünftiger Vorschlag, Lukas.«
Auch Robert
grummelte etwas, das Ja heißen konnte.
Nachdem
sie bestellt hatten, kam Paula wieder zur Sache. »Was meinst du denn, Lukas, wie
geht’s nun weiter?«
»Tja, der
Verfahrensweg ist klar. Aber ich habe da noch eine andere Idee. Ich kenne den Polizeipräsidenten
recht gut. Gernot Freese. Ein umgänglicher Mensch, ich spiele ab und zu Golf mit
ihm. Außerdem ist er mir noch einen Gefallen schuldig. Er wird seine Leute schon
in Schach halten können, besonders, weil dieser Ringelschwan …«
»Ringelhahn,
Gisbert Ringelhahn.« Paula kicherte.
»… dieser
Ringelhahn sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Er hätte dich nämlich
nicht so einfach aus dem Auto zerren dürfen, mit physischer Gewalt.«
Direkt gezerrt
hatte der Polizeiobermeister zwar nicht, aber Paula hatte die Szene, zumindest,
was das gegnerische Handeln anbelangte, ein bisschen aufgemotzt. Und Ringelhahn
hatte im Eifer des Gefechts versäumt zu protestieren. Und somit war es aktenkundig.
Robert atmete
hörbar auf. »Da wäre ich aber wirklich froh, Lukas. Es wäre doch mehr als peinlich,
wenn Paula wegen so einer Sache vor Gericht müsste.« Er tupfte sich mit der Serviette
den Schweiß von der Stirn. »Da sieht man mal wieder, wie wichtig gute Beziehungen
sind.«
Beziehungen.
Typisch. Paula schüttelte den Kopf. Unter solchen Umständen würde sie lieber eine
Woche in den Knast gehen. So eine Vetternwirtschaft. Und das bei Juristen, das musste
einem doch zu denken geben.
Genüsslich
machte sie sich über die Pizza her. Sie würde sich jetzt den Appetit nicht verderben
lassen. Nicht, bevor sie den letzten Bissen vertilgt hatte.
»Das war
prima.« Sie wischte sich den Mund ab und lehnte sich zurück. Dann fixierte sie Lukas.
»Warum hast du eigentlich Jura studiert?«
»Wieso?
Du weißt doch, wir hatten schon immer Juristen in der Familie, zum Beispiel meinen
Großvater und meine beiden Onkels, da war ich eben vorbelastet.«
Natürlich
wusste sie das. Nur allzu gut. Der liebe Onkel Friedrich war’s gewesen, der ihm
den Weg in die Schürenkamp’sche Kanzlei geebnet hatte, die Kanzlei, aus der Promi-Anwälte
wie Zuzzi hervorgegangen waren. Außerdem hatte Lukas auch noch so viel Grips gehabt,
Schürenkamps Tochter Charlotte, ebenfalls Juristin, zu poussieren. Er war damit
erfolgreicher gewesen als Robert mit der Heubusch-Tochter. Er hatte Charlotte geheiratet.
Ob das im Endeffekt allerdings wirklich so klug gewesen war, blieb fraglich. Charlotte,
sieben Jahre älter als Lukas, war, gelinde gesagt, ziemlich schwierig.
»Das hab
ich nicht gemeint. Bist du aus Überzeugung Anwalt geworden? Glaubst du an die Gerechtigkeit
der Rechtsprechung?«
»Komm, Paula,
sei doch nicht so naiv. Du weißt doch so gut wie ich, dass Recht und Gerechtigkeit
zwei Paar Stiefel sind.«
»Natürlich,
deshalb frag ich ja. Wie hältst du das aus? Das muss doch frustrierend sein.« Paula
verzog das Gesicht. Ȇberhaupt, wer macht denn die Gesetze? Wer entscheidet? Die
in ihren Scheißroben. Und schau dir doch nur mal die roten Fräcke in Karlsruhe an.
Soll mir einer sagen, dass die unparteiisch sind. Da geht’s doch nur um Macht. Rechtsstaat,
dass ich nicht lache.«
»Na, na,
Paula, jetzt übertreibst du aber.«
»Meine Güte,
Lukas, merkst du nicht, dass Paula gerade den Aufstand probt? Erinnerst du dich
nicht, wie sie sich neulich bei Becca und Johannes aufgeführt hat? Dann gestern
im Konzert, das hättest du mal erleben sollen. Und nun heute auf der Polizeiwache.
Und dabei versucht sie permanent, uns
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