Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
hätte für so etwas noch überschüssige Kraft und Phantasie gehabt? Niemand! Nur Notto Fipp und niemand sonst. Und so wanderte er die letzten Meter des Weges, in Frack, Strohhut und Regenschirm. Sechstausend Menschen waren auf den Beinen, um ihn auf dem letzten Stück zu begleiten, und die Kinder der Stadt, die zu dieser einzigartigen Gelegenheit noch hatten aufbleiben dürfen, schlossen sich dem Tross an, und auf dem Marktplatz wurde ihm ein Empfang bereitet, der eines Königs würdig gewesen wäre. Die Honoratioren von Kristiansand hatten so einiges auf die Beine gestellt. Es gab Flaggenparaden, Reden, und der städtische Männerchor sang Norwegens Sonne aus voller Kehle mit Orchesterbegleitung. Ich hielt mich zunächst einmal im Hintergrund, und wieder fiel mir auf, dass ich gerne auf all diese Aufmerksamkeit verzichtet hätte. Notto Fipp ging nicht, um sich zu brüsten. Er ging, um sich zu verfeinern und sein Wesen zu härten. Nach diesen Festivitäten, die kein Ende zu nehmen schienen, kam natürlich die Reaktion. Notto wankte, die Beine knickten unter ihm weg. Ich sah keinen anderen Ausweg, als ihn ins Krankenhaus zu bringen, wo ich selbst die Untersuchungen seiner erschöpften Körperteile durchführen konnte, und zu meiner Erleichterung und Freude fehlte seinen inneren, edleren Organen nichts, das Einzige, was er brauchte, das waren Ruhe und Nährstoffe. Mit anderen Worten: seine fabelhafte Tour hatte ihm in keiner Weise geschadet, ganz gleich, wie schwer sie ihm auch gefallen war. Er konnte sich mit gutem Gewissen den Kautabak gönnen, den er aufgespart hatte. Ich meinerseits sah mich deshalb genötigt, eine längere Abhandlung für den Fædrelandsvennen zu schreiben, da offensichtlich meine akademische Karriere auf dem Spiel stand, falls jemand dem Glauben verfallen würde, und derartige Kreaturen gab es ganz sicher, dass ich Notto Fipp auf eine Weise zu den Höchstleistungen gedrängt hätte, die fachlich nicht zu verantworten war. Außerdem musste ich mich mit einem Gerücht beschäftigen, und falls es bereits widerlegt war, so musste ich es zumindest um Sigrids und um Nottos willen tun. Ich bringe diesen Artikel in extenso. Redakteur Willumsen ließ ihn zu meiner Freude am folgenden Tag drucken, und sämtliche Zeitungen, die über die Tour geschrieben hatten, brachten ihn ihren Lesern in der kommenden Woche zur Kenntnis.
Dr. Bernhard Hval präzisiert:
Aus Telegrammen über Notto Fipps Ankunft in Kristiansand müssen Außenstehende die Schlussfolgerung ziehen, dass Notto entkräftet und kurz vorm Umfallen war. Dies ist vollkommen falsch. Als derjenige, der Notto auf dem ganzen Weg begleitet hat und dadurch aus erster Hand Kenntnis über seinen Zustand unterwegs ablegen kann, muss es mir gestattet sein, die Kommentare der Zeitungen diesbezüglich zu korrigieren, außerdem ist es Notto Fipps Wunsch und Wille, dass ich das tue. Die Wahrheit ist, dass er bei seiner Ankunft in Kristiansand in verblüffend gutem Allgemeinzustand war, obwohl er einen Tagesmarsch von hundert Kilometern hinter sich hatte, den er im Laufe von neunzehn Stunden absolvierte. Versuchen Sie das einmal selbst, meine Damen und Herren!
Kein Mann, der kurz vor dem Umfallen ist, schafft es, auf eine Fensterbank zu springen, um der Volksmenge für die spontane Huldigung, die ihm zuteil wird, zu danken. Deshalb wurde Notto auch nicht als »Gequälter« ins Krankenhaus gefahren, sondern auf mein Verlangen hin, damit ich ihn unmittelbar nach seiner Ankunft untersuchen konnte, um mich von vornherein gegen allerlei legendäre Ausschmückungen bezüglich einer »vollständigen Erschöpfung« usw. abzusichern. Das Resultat der Untersuchung, das mit Notto Fipps großzügigem Einverständnis veröffentlicht wird, läuft darauf hinaus, dass alle Organe in bester Verfassung waren, und die Ärzte, die neben mir zur Stelle waren, unter ihnen Oberarzt Røgler, drückten ihre Verblüffung über den außerordentlich guten Zustand aus. Hier kann genannt werden: Puls 79, normal 72. Blutdruck 112, normal 125. Temperatur 36,7, ein halbes Grad unter normal. Die Ursache dafür ist in Notto Fipps Lebensform zu suchen. Er ernährte sich unterwegs ausschließlich von Bananen und Milch. Nicht trotz, sondern aufgrund dieser strengen Diät konnte Notto diese ungewöhnlichen Strapazen meistern. Und lassen Sie uns das in einer Zeit, die geprägt ist von Humbug und Betrügereien an jeder Straßenecke, als ein Vorbild nehmen. Ziel dieser Tour war es nämlich, zu
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