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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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zeigen, was man mit ganz einfacher, genügsamer, aber natürlich vollkommen ausreichender Kost ausrichten kann, ohne alle Stimulanzien und Genussmittel, ohne Wohlleben und Überfluss. Wir gehören einem rauen Volksstamm an. Große Männer haben wir hervorgebracht. Und Notto Fipp ist einer von ihnen. Lassen Sie mich noch hinzufügen, dass es meine Aufgabe unterwegs war, nicht nur darauf zu achten, dass alles korrekt und innerhalb der zu verantwortenden Grenzen verlief, rein fachlich gesehen, sondern auch, um zudem Observationen über Notto Fipps Gangart zu machen, und auf diese Art die Grundlage für eine bahnbrechende Doktorarbeit zu legen, die der Gesellschaft, und damit uns allen, von Nutzen sein wird.
    Dr. Bernhard Hval. Kristiansand. 22. September
    Ich übernachtete genau wie Notto im Krankenhaus, auf einem Sofa im Sprechzimmer, blieb jedoch lange wach liegen und dachte an den Artikel, den ich soeben mit einem Boten zum Fædrelandsvennen geschickt hatte. War er nicht ein wenig übertrieben? War ich zu hart vorgegangen? Wollte die Menschenmenge Notto Fipp nicht gerade so sehen: auf der Ziellinie umfallend, am Ende seiner Kräfte, am Rande des Todes. Wenn er kerzengerade und munter daherkam, warum konnte er dann nicht ebenso gut zurück nach Oslo gehen und später wiederkommen? Ach, ich schmatzte und hielt mir die Hand vor den Mund. Ich musste den Artikel wieder zurückziehen. Ich musste eine Gegendarstellung verfassen: Stoppt die Druckerpresse! Dann schlief ich doch ein und hatte einen merkwürdigen Traum. Ich träumte von Notto Fipps Mutter, die ich nie gesehen hatte, aber es muss sie gewesen sein. Es konnte niemand sonst sein. Im Traum war ich mir dessen sicher. Sie geht den Flur entlang, direkt an mir vorbei, langsam, gekleidet in den grauen, knisternden Kittel des Krankenhauses, es muss schon viele Jahre her sein. Dann bleibt sie stehen und dreht sich um. Sie hat Nasenbluten und wischt das Blut mit einer Serviette ab, die sie in beiden Händen hält, oder ist es vielleicht auch ein Handtuch? »Du Armer«, sagt sie. »Wieso?«, frage ich. »Ich bin nicht krank.« »Du bist eine Klasse für sich«, flüstert sie. Jetzt sehe ich, dass auch an ihren Beinen Blut entlangläuft, in die flachen Schuhe, die bereits voller Blut sind. »Ich will keine Klasse für mich sein!«, rufe ich. Sie lächelt und kommt näher. »Wir sind stolz auf dich. Denk daran.« Dann geht sie weiter, wiegend, in Schuhen, in Blut watend, einem Mann entgegen, der auf sie wartet, mit einem Koffer und einem Schleifstein.
    Am nächsten Morgen treffe ich Notto auf der Treppe vor dem Krankenhaus. Er trägt wieder seine normale Kleidung und ist reisefertig.
    »Der Frack liegt drinnen beim Oberarzt«, sagt er.
    »Aber den sollst du natürlich behalten! Der gehört dir!«
    »Willst du noch einmal heiraten und mich um noch eine Rede bitten?«
    »Da brauchst du keine Angst zu haben, mein Freund. Sigrid hat mich fest in ihren Klauen!«
    »Ja, du bist ein Glückspilz, du.«
    »Du wirst sicher auch bald eine Frau finden.«
    »Oh, das denke ich nicht.«
    »Nach allem, was in den Zeitungen stand, wirst du das kaum vermeiden können! Die stehen bestimmt bald Schlange!«
    »Das Gehen hilft wahrscheinlich bei so einem Gesicht wie meinem nicht viel. Meistens lachen die Frauen nur über mich.«
    Notto zupfte an seinem Spitzbart, während ich wegschaute und beschloss, mir an meinem Kinn einen ähnlichen Bart wachsen zu lassen, je früher, umso besser.
    »Was hast du eigentlich jetzt vor?«
    Notto zuckte mit den Schultern.
    »Ich werde wohl ein wenig herumtappen. Vielleicht geht es ab in die Gruben.«
    »Nicht in die Gruben! Das ist nichts für solche wie dich!«
    »Aber solche wie ich müssen trotz allem von etwas leben. So ist es nun einmal.«
    Ich musste ihn davon abbringen.
    »Wusstest du, dass die Sterberate unter den Bergleuten am höchsten ist«, ermahnte ich ihn. »Und weißt du, welcher Beruf die niedrigste Sterberate hat?«
    »Das müssen ja wohl die Ärzte sein. Denn die können sich selbst kurieren.«
    »Oh nein. Es sind die, die keiner festen Erwerbstätigkeit nachgehen. Diejenigen, die frei sind, Notto. Wie du!«
    Ich suchte nach ein wenig Kleingeld, aber er wollte nichts annehmen. Ich bestand darauf. Er schüttelte den Kopf und legte mir stattdessen die Hand auf die Schulter und sagte:
    »Beeil dich jetzt, mein Freund. Auf mich wartet niemand, aber auf dich wartet Sigrid.«
    Ich reichte Notto Fipp nicht einmal bis zu den Knöcheln. Das soll ein für

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