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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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einem kämpfenden Notto Fipp

DIE TOUR NACH DER TOUR
    Unterwegs hatte ich bald anderes zu bedenken als eine Doktorarbeit über die Anatomie des Gehens. Notto musste durch Drammen, da führte kein Weg drum herum, und es war auch nicht zu vermeiden, dass ich auf Sigrid stieß, selbst wenn ich es hätte vermeiden wollen. Drammen und die Buskerud Tidende hatten außerdem unsere Ankunft bereits in einer Notiz gemeldet, inspiriert vom Fædrelandsvennen, der das Exklusivrecht an Notto Fipps Briefen hatte, die unter meiner Federführung geschrieben wurden, aber nicht an den Ereignissen. Diese waren für alle frei. Und sobald wir die Straßen erreicht hatten, passte sie mich ab und setzte sich während der Fahrt ins Auto, ich schwöre, während der Fahrt!
    »Du hast eine Woche gesagt! Jetzt warte ich schon zwei!«
    »Es tut mir leid, aber die Tour braucht mehr Zeit als berechnet.«
    »Ich mache keine Hochzeitsreise im Schnee!«
    »Wir sind lange vorher fertig, Sigrid. Das verspreche ich dir! Übrigens siehst du hübsch aus.«
    »Du brauchst es gar nicht erst zu versuchen.«
    Dann sagten wir erst einmal nichts, während wir Notto über die Brücke folgten, auf der sich eine Schulklasse, vielleicht auch zwei, versammelt hatte und mit norwegischen Fähnchen winkte.
    »Siehst du«, sagte ich, »siehst du, was wir zustande bringen? Wir schreiben Geschichte!«
    Sigrid schüttelte nur den Kopf.
    »Wenn du aus diesem Wurm einen Doktortitel herauskriegst, dann bist du gut.«
    »Ich bin gut, Sigrid!«
    Ich weiß nicht, woher ich meinen Mut und meine Kräfte nahm, aber im Nachhinein habe ich es, wie gesagt, begriffen. Wenn Notto die Kräfte verließen, übernahm ich sie. Das ist eine einfache Rechenaufgabe. Ich parkte in einer kleinen Gasse hinter dem Theater und zog Sigrids Rock hoch. Keine Skrupel! Ich will mit dir schlingern! Ich will die Büchse der Pandora sein! Ich werde dich mit Krebsscheren striegeln, meine herrliche Bagage. Drastica! Übrigens erwies sich der Roadster als ein hervorragender Platz für diese Art von Aktivitäten. Sigrid saß auf mir und konnte sich gegen das Lenkrad lehnen, und dennoch hatten wir immer noch genug Platz. Dass wir nicht schon vorher daran gedacht hatten. Es war wieder so wie damals. Als wir noch nicht verheiratet waren. Dann glitt sie von mir herunter, auf den Sitz, und richtete ihre Kleidung.
    »Eines sage ich dir, Bernhard Hval, ich hoffe nur, unsere Hochzeitsreise kommt vor dem Doktortitel!«
    »Well, that’s all right«, sagte ich.
    »Was redest du da? Hast du jetzt auch noch den Verstand verloren?«
    Ich gab Sigrid einen Kuss auf die Wange und öffnete die Beifahrertür.
    »Grüße deine lieben Eltern von deinem Stutenprinz«, sagte ich.
    Gab Gas, jetzt war mir leichter zu Mute, ja, sehr viel leichter zu Mute, ein Joch war mir von den Schultern genommen worden, ich hatte an diesem Tag auf zwei Hochzeiten tanzen können, was uns Kantigen nur selten vergönnt ist, müssen wir uns doch meistens mit dem einen oder dem anderen begnügen. Notto und Sigrid, johlte ich, Versöhnung und Wissenschaft, Hochzeitsreise und Doktorarbeit, heulte ich, es war gar nicht zu überschauen, war mir alles vergönnt war. Ich ruderte mit den Armen und rief einige Worte, die hier wiederzugeben mir nicht angebracht zu sein scheint, aber es war aus reiner Freude, dass ich schrie, heulte und mit den Händen wedelte. Ich holte Notto an den Hügeln bei Lier wieder ein, das heißt, ich hatte ihn im Blick, ich blieb fünfzig Meter hinter ihm. Ich konnte sehen, dass er Probleme hatte. Mehrere Male kam er vom Weg ab, bis zum Straßengraben. Es schien, als könnte er jeden Moment in Ohnmacht fallen. Ich fand das unverantwortlich, das war force majeur. Deshalb fuhr ich an seine Seite.
    »Du brauchst eine Pause, Notto.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich will Oslo heute sehen. Jetzt oder nie.«
    Es war nicht mit ihm zu reden.
    Er hatte nur noch eine einzige Banane in seinem Kranz, und ich gab ihm ein neues Bündel, das er sich um den Hals hängen konnte. Er nahm auch einen Becher Milch entgegen, trank ihn aber im Gehen aus. Er wollte einfach nicht anhalten.
    »Denk dran, dass du auch noch zurück gehen musst«, sagte ich.
    »Im Augenblick denke ich an nichts anderes«, sagte Notto Fipp.
    Es schien, als würde ihn der Teufel reiten, und ich fürchtete einen Moment lang, dass die Belastungen ihm auch noch den Verstand geraubt hatten. Wenn man sich einem unmenschlichen Druck aussetzt, kann man einen Punkt erreichen, an dem die

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