Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
bezahlst selbst für das Zimmer?«
»Ja. Das ist nicht umsonst.«
»Dann hast du Arbeit angenommen?«
Notto schaute weg.
»Es kommt vor, dass mir Journalisten einen oder zwei Scheine zuschieben.«
»Bezahlen sie dich?«
»Sie bitten mich, irgendwelche Possen zu reißen, und fotografieren es dann.«
»Hattest du deshalb in Lillehammer eine Jockeymütze auf?«
»Ich habe sie gleich wieder abgenommen, als ich fertig war.«
Solche Zeiten waren es geworden, kein Ernst, keine Tiefe, kaum ein Nachdenken, nur Unterhaltung und wieder Unterhaltung. Das größte Vergnügen war es, auf dem Grab zu tanzen. Es war nicht Notto Fipp, der das Rampenlicht suchte. Im Gegenteil. Das gleißende Rampenlicht suchte ihn.
Ich musste ihn fragen:
»Konntest du nicht warten, bis ich zurück bin?«
»Es ist einfach über mich gekommen«, sagte Notto und faltete die Hände im Schoß.
Ich schaute an ihm vorbei, beschämt. Wollte ich, Bernhard Hval, der Donkischott, mich zum Richter über Notto Fipp erheben?
»Von Trondheim nach Oslo«, sagte ich. »Das sieht dir ähnlich.«
Nachdem wir endlich wieder eine Gesprächsebene gefunden hatten, wurden wir von jemandem unterbrochen, der Nottos Namen unten auf dem Egertorget rief. Ich schaute zum Fenster und entdeckte zwei junge Männer, die Presseheinis der übelsten Sorte ähnelten, mit ihren langen, ungepflegten Mänteln, ihrem frechen Auftreten und ihrem muhenden Jargon, wahrscheinlich fehlten noch ein paar Spalten für die Abendzeitung, und deshalb waren sie den weiten Weg von den Redaktionen in der Akersgaten bis zu Frau Byes Hotel gegangen, um Neuigkeiten von Notto Fipp zu erfahren. Ich musste ihn umgehend in Sicherheit bringen. Ich konnte es nicht zulassen, dass Notto Fipp in seinem Lebenswerk gestört wurde, von dem er selbst Umfang und Format noch gar nicht begriffen hatte. Die Banane gegen das Steak! Außerdem konnte dieses Geschmiere meiner Doktorarbeit schaden. Ich riskierte, nicht ernst genommen zu werden.
»Ich habe große Pläne mit dir«, sagte ich.
Mit diesen verpflichtenden Worten gelang es mir, Notto Fipp mit hinunter zur Rezeption zu locken, wo Frau Bye uns einen Hinterausgang zeigte, auf die Straße Grensen, wo er warten konnte, bis ich den Roadster auf der Vorderseite geholt hatte, und gemeinsam fuhren wir zum Skovveien. Ich schloss uns die Tür auf, und als Erstes hörte ich die Schläge der Standuhr, die immer noch die Böden in den verlassenen Räumen widerhallen ließ, auf denen sich bereits ein Hauch von Staub, Schimmel, oder war es Fäulnis, angesammelt hatte. Wir mussten lüften. Mehr war nicht nötig. Ich wandte mich Notto zu, der im Eingang stehen geblieben war.
»Was wollen wir hier?«, fragte er.
»Hier kannst du wohnen«, sagte ich. »So lange du willst.«
Ich überreichte ihm die Schlüssel.
Notto starrte das Schlüsselbund an.
»Zusammen mit euch? Das kann ich nicht. Oh nein.«
Er wollte mir umgehend die Schlüssel zurückgeben.
»Das brauchst du zum Glück auch nicht. Wir sind nach Besserud gezogen. In das Haus meiner Kindheit.«
Notto schob die Schlüssel zögernd, fast widerwillig in seine Hosentasche, während ich ihn in der Wohnung herumführte. Schließlich blieben wir vor der Standuhr stehen, in der Ecke des Büros, in dem ich jetzt sitze und all das aus dem Gedächtnis aufzeichne, und das Gedächtnis ist ein zerbrechlicher Apparat, so viele Jahre später, zum Rhythmus der Sekunden und der gleichen Schläge, die mein Leben festgeschlagen haben, ein Echo, das in beide Richtungen geht und deshalb auch eine Stille beinhaltet, die bald kommen wird.
»Du wirkst nicht glücklich«, sagte Notto.
Ich versuchte diese überwältigenden Worte mit Fassung aufzunehmen.
»Nein?«
»Nein. Warum bist du es nicht?«
Ich sah ihn direkt an.
»Werden wir das jemals?«
»Ab und zu.«
»Ja, Notto. Ab und zu sind wir glücklich.«
Dann war er an der Reihe, mir etwas zu überreichen.
»Du bist da draufgetreten. Das lag im Eingang, unter dem Briefschlitz.«
Es war ein Umschlag, mit so vielen Briefmarken drauf, dass die Adresse und mein Name kaum noch zu erkennen waren. Er war in Neuseeland abgeschickt worden. Also war er von meiner Mutter. Ich ging ins Wohnzimmer, mit Notto in den Hacken, fand eine Flasche Cognac, ja, echten Cognac, nicht irgendeinen Fusel an so einem Tag, ich hatte nach fast zehn Jahren einen Brief von meiner Mutter erhalten, also schenkte ich zwei Gläser ein, trank meines aus, während Notto seines stehen ließ, worauf ich das auch
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