Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
ich.
»Und was?«
»Dass wir die Wohnung im Skovveien behalten.«
»Was sollen wir denn mit der?«
»Es kann sein, dass wir sie noch brauchen werden.«
»Ach, willst du sie als kleines Liebesnest behalten?«
»Nein, wie kommst du darauf.«
Sigrid lachte laut und schlug mir leicht auf die Wange.
»Du verstehst aber auch gar keinen Spaß, Bernhard. Hast du wirklich gedacht, ich würde so etwas von dir denken?«
Da lachte ich auch, aber warum hätte sie nicht so etwas denken sollen? Glaubte sie nicht, dass ich in der Lage wäre, eine Affäre zu haben, dass sie die Einzige war, die mich, Bernhard Hval, für den große Pläne gemacht worden waren, haben wollte? War sie nicht in der Lage zu glauben, ich könnte untreu werden? Dann müsste sie noch einmal von vorn anfangen zu glauben.
»Falls ich einmal, und ich sage nur falls, meine eigene Praxis eröffnen will, dann kann die Wohnung von Nutzen sein«, sagte ich.
»Mein Gott, mach doch, was du willst mit dem Verschlag. Schließlich gehört er dir.«
Doch ich ließ nicht locker:
»Außerdem wäre es nicht schlau, die Wohnung jetzt zu verkaufen. Ich nehme an, dass dein Vater dieses Haus hier fast umsonst gekriegt hat.«
Sigrid ließ meine Hand los.
»Weißt du, wozu du sie benutzen kannst? Du kannst diese schreckliche Standuhr dort reinstellen. Und außerdem friere ich.«
Sie hatte bereits die Schlüssel in der Hand. Wir gingen gemeinsam das letzte Stück bis zur Eingangstür, an der die Koffer standen. Sie schloss auf.
Ich trampelte dreimal mit beiden Füßen.
Dann gingen wir hinein.
Ich fuhr mir mit den Fingern über das Kinn, das so glatt und bartlos war wie die Fußsohlen und die Handflächen.
Und so begann mein zweiter Aufenthalt in meinem ersten Heim, in dem die Gespenster sich in stummen Prozessionen die Wände entlangschlichen.
Heureka!
Ich versenkte meine Gliedmaßen in die Kindheit und maß das genaue Gewicht der Trauer.
DIE ZUKUNFT GEHT TROTZ ALLEM WEITER
Am nächsten Morgen, nach einer weiteren Nacht, ließ ich meinen Samen in den Sand verrinnen, das heißt in die Toilettenschüssel, und wanderte anschließend ruhelos durch die Etagen zwischen den fremden Möbeln in alten Zimmern und grüßte die ebenso alten Haushaltshilfen, die aus den Besenkammern und Ecken herauskamen und mich zur Ruhe mahnten, wie hießen sie noch alle, Beate, Klara, Mille, dann fuhr ich schnurstracks hinunter zu Frau Byes Hotel, das heißt, was heißt schon schnurstracks, zuerst musste ich die Holmenkollenbahn bis Majorstuen nehmen, von dort zum Skovveien laufen, wo ich meine liebe Mühe hatte, den Roadster zu starten. Doch schließlich stand ich in der Rezeption, und Frau Bye selbst war an Ort und Stelle hinter dem Tresen. Ich hatte keine Zeit zu verlieren und kam deshalb direkt zur Sache.
»Ist Notto Fipp hier?«
»Er hat das übliche Zimmer.«
»Gott sei Dank. Wie viel schulde ich Ihnen?«
»Herr Fipp hat für jeden Tag, den er hier wohnt, bezahlt. Im Voraus.«
»Ach ja? Sind Sie sich dessen sicher?«
»Wenn ich es doch sage. Im Voraus. Herr Fipp ist ein Gentleman.«
Da fielen mir die Bilder auf, die an der Wand rechts von der Tafel mit den Schlüsseln hingen. Ich musste näher herangehen. Es handelte sich um eingerahmte Ausschnitte aus verschiedenen Zeitungen, Dagningen, Hamar Arbeiderblad, sogar Politiken, die Notiz, die ich bereits gelesen hatte. Es waren Bilder von Notto. In Lillehammer stand er mitten in einer Menschenmenge, trug eine lächerliche, ungewöhnliche Kopfbedeckung, eine Art Helm, mit Riemen unter dem Kinn. In Hamar aß er drei Bananen gleichzeitig. Bei Minnesund posierte er vor der lokalen Meierei, während er direkt aus der Flasche trank, ja, fast in Milch badete. Und im Aftenposten wurde er die Banane getauft. Mir war unwohl zu Mute. Dass jemand Notto Fipps Großtaten zum eigenen Vorteil ausnutzen konnte, tat mir in der Seele weh. Aber noch mehr schmerzte es mich, dass andere es wagten, ihn wie in einem Zirkus zur Schau zu stellen, in einer Manege für ihre eigenen Ideen. Ich ging hinauf zu seinem Zimmer, klopfte an, nach einer Weile öffnete Notto Fipp, widerstrebend, wie es schien, doch als er mich sah, ließ er mich sofort herein. Wir gaben uns die Hand, setzten uns jeder auf einen Stuhl und suchten nach den richtigen Worten. Er war dünner geworden. Die Kleider schlackerten an seinem Körper. Haar und Bart waren ungepflegt. Er wirkte nicht glücklich, wenn wir, die Kantigen, es überhaupt jemals sein können.
»Ich habe gehört, du
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