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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Wenn wir jetzt nicht abreisen, riskieren wir, hierbleiben zu müssen.«
    »Wäre das denn so schrecklich, Berny? Hierzubleiben, meine ich.«
    Ich ging zur Chaiselongue, hockte mich davor und küsste ihre Knie, ihre Ellenbogen, Armbeugen, die Halsgrube. Sigrid roch und schmeckte von oben bis unten nach der Welle, die dabei war, sich zurückzuziehen, ein leerer Sog, und nur ich wusste das.
    Ich war atemlos und erschöpft.
    »Das Rikshospital«, sagte ich. »Große Pläne. Lunds Worte. Erinnerst du dich nicht. Ich kann mir das nicht entgehen lassen. Du doch auch nicht.«
    Am nächsten Morgen fuhren wir nach Hause, auf derselben Route, auf der wir gekommen waren, aber vorher musste Sigrid noch ein Telegramm senden, an ihre Eltern, was die damit zu tun haben mochten, das wusste ich nicht, und auf mich wartete eine Antwort, Danke, ich warte, dein Freund und Junggeselle, Fipp, doch ich will mich kurz fassen. Als wir endlich zurück in Oslo waren, erschöpft und schmutzig, und Einar Juells Chauffeur, der Fahrer des Schwiegervaters persönlich, am Bahnhof bereitstand und auf uns wartete, wurde Sigrid ganz mystisch und geheimnisvoll und bat mich, die Augen zu schließen, bis sie sagen würde, dass ich sie wieder öffnen könnte.
    »Warum denn das?«
    »Es ist eine Überraschung, du Dummerchen.«
    »Du weißt, dass ich keine Überraschungen mag, Siggen.«
    »Aber diese wird dir gefallen, Berny. Mach die Augen zu und sei nicht kindisch.«
    Ich tat, wie mir geheißen, während ich doch mehr als alles andere am liebsten sofort Notto Fipp in Frau Byes Hotel aufgesucht hätte. Doch das war nicht möglich. Und also saß ich auf dem Weg durch Oslo mit geschlossenen Augen da, es gab Anhöhen und Kurven, es dauerte seine Zeit, und zum Schluss hielten wir an, und ich durfte endlich wieder die Augen öffnen. Wir waren auf Besserud, hielten direkt vor unserem alten Haus.
    »Was machen wir hier?«, fragte ich.
    »Hier werden wir wohnen, Berny.«
    Ich war kurz vor einem Wutausbruch.
    »Wir werden hier wohnen? Wie meinst du das?«
    Der Chauffeur war bereits dabei, unser Gepäck ins Haus zu tragen.
    Sigrid nahm meine Hand.
    »Vater hat es gekauft. Es ist sein Hochzeitsgeschenk für uns.«
    »Dein Vater hat das Haus gekauft, in dem ich aufgewachsen bin?«
    »Ja, Bernhard. Freust du dich gar nicht?«
    »Ob ich mich freue? Ich bin überwältigt, Siggen.«
    Wir stiegen aus dem Wagen und gingen durch das Tor. Sigrid lief um das Haus herum, um sich umzuschauen. Der Fahrer lüftete nur kurz seine Mütze, als er an mir vorbeiging, auf dem Weg zum Auto. Ich gab ihm reichlich Trinkgeld. Meine Hände zitterten bei jedem Schein, und ich vermischte norwegische und französische Valuta. Er ließ sich nichts anmerken, verneigte sich tief, und ich konnte nicht erkennen, ob er zufrieden war, verlegen oder nur nachsichtig.
    »Übrigens, könnten Sie mich morgen früh in die Stadt fahren?«, fragte ich.
    Der Fahrer setzte die Mütze an Ort und Stelle.
    »Ich arbeite für Einar Juell.«
    »Wir können meinen Roadster nehmen. Er steht im Skovveien.«
    »Ich arbeite für Einar Juell«, wiederholte er.
    Da erkannte ich: Er wusste sehr genau, dass ich meinen eigenen Chauffeur, Alfred, gefeuert hatte, und wollte auf diese Art und Weise Solidarität mit einem Kollegen zeigen oder Verachtung mir gegenüber, vielleicht beides zugleich. Das war ja nur ehrenhaft. Ich beneidete ihn fast um diese Eigenschaft. Er war treu. Wäre er nicht bereits beschäftigt, ich hätte ihn vom Fleck weg engagiert. Aber vielleicht mochte er mich auch ganz einfach nicht.
    Doch als ich Einar Juells Fahrer einen weiteren Schein geben wollte, als Anerkennung für diese Geste, die Treue sowohl seinem Arbeitgeber als auch seinem Kollegen gegenüber, wollte er ihn nicht mehr annehmen, wortlos drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand, während der Schein im feuchten Gras landete. Ich ließ ihn dort liegen, blieb stehen und schaute mich um. Die Hecke war geschnitten, der Apfelbaum war weg, so dass der Garten mehr Licht bekam. Ich fror. Der Pavillon war übrigens auch abgerissen worden. Sie waren sogar so rücksichtsvoll gewesen, den kleinen Springbrunnen zu entfernen. An seiner Stelle stand eine weißgestrichene Bank. Dort konnte man sitzen und sich in Erinnerungen ergehen. Ich schaute das Haus an, dieselben Fenster, aber andere Vorhänge.
    Sigrid kam zurück und nahm wieder meine Hand.
    Plötzlich wurde ich hellsichtig.
    »Es gibt nur eine Sache, um die ich dich bitten möchte«, sagte

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