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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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trockene Geräusch, oder das Knacken, in den Gelenken und Knöcheln, wirkte auf mich erregend und beruhigend zugleich. Und schließlich saß ich vor der Standuhr, lernte für das Examen philosophicum und knackte mit den Fingern, im Takt der Uhrschläge, außerdem musste ich einen neuen Lateinkursus absolvieren. Mit anderen Worten, ich hatte mit unsicheren, aber dennoch entschlossenen Schritten den langen Marsch auf das Ziel angetreten, nämlich das medizinische Staatsexamen, damit ich der Menschheit dienen und auf diese Art mich selbst übertreffen konnte. Bescheidener kann ich es nicht ausdrücken. Ich bestand die Aufnahmeprüfung mit Glanz und Gloria, wie ich in aller Bescheidenheit hinzufügen möchte, auch wenn ich eine Rüge von einem der Studenten bekam, sie lag eines Morgens auf meinem Studienplatz, es wurde behauptet, ich störe mit meinen Unarten, er nannte sie mit Ausrufungszeichen; Schnauben, Trampeln. Er gehörte offenbar zu diesen Leuten, die sich immer um die Angelegenheiten anderer kümmern müssen, aber dabei nur allen lästig fallen. Ich setzte mich auf einen anderen Platz. Endlich wurde es ernst: Der erste Abschnitt, der aus einer Prüfung in Botanik, Zoologie, mündlicher und experimenteller Prüfung in Chemie bestand, mündlicher und praktischer Prüfung in Anatomie und einer Prüfung in medizinischer Physik und Physiologie. Wir waren insgesamt 630 Studenten, davon zwei Frauen, es war Lund, der damals bei der Universität angestellt war, dem das die angemessene Zahl zu sein schien. Und die Geschichte hat ihm als voraussehenden Logiker recht gegeben. Er schrieb bereits 1912 in der Medizinischen Zeitschrift: »Alle Versuche, die Anzahl der Studenten zu begrenzen, indem die Examensanforderungen hochgeschraubt werden, die Studienzeit verlängert wird usw., ist reine Quacksalberei. Das radikale Kurmittel, das auf jeden Fall hilft, ist der eingeschränkte Zugang zum Studium. Unter den herrschenden Verhältnissen sehe ich eine ärztliche Versorgung, die einer Anzahl von einem Arzt für 3000 Einwohner entspricht, als vollkommen ausreichend an.« Wir wurden also buchstäblich auf die Probe gestellt und liefen zwischen den verschiedenen Instituten und Labors hin und her, von der Frederiks gate zur Pilestredet, von der Universitetsgate zum Ruseløkkveien und St. Olavs plass. Ich war der Eifrigste. Manchmal fuhr Alfred mich, aber damit hörte ich auf; das konnte übertrieben und extravagant erscheinen. Und mich in ein schlechtes Licht stellen: dass ich womöglich dachte, ich wäre besser als die anderen. Welches Missverständnis. Außerdem lief ich schnell genug. Ich folgte den Lesungen mit höchster Konzentration, und noch einmal darf ich daran erinnern, welche Kräfte ich brauchte, um mich zu zügeln, nicht zu schnauben, nicht zu trampeln, mich nicht zu drehen, und nur meine Gleichgesinnten, die Kantigen, können sich das vorstellen. Insbesondere möchte ich Professor Lunds unbezahlbare Symposien erwähnen, beispielsweise als er als der letzte konsequente und kompromisslose Fürsprecher für die Einheit der Medizin im Herbstsemester eine Vorlesung hielt, bevor er in die Geheimnisse der Chirurgie selbst eintauchte, unter dem Motto Medicina interna una et indivisibles, nämlich dass der Arzt meistens über keine anderen Hilfsmittel als seine Sinne verfügt, seine Hände und sein judicium, und dass die innere Medizin für den selbstständigen und gut orientierten Arzt als Rückgrat des Fachs angesehen werden sollte, nicht als ein medizinisches Spezialgebiet. Ich möchte auch, zugegebenermaßen etwas widerstrebend, die Ausflüge nach Gaustad erwähnen, wo wir mit eigenen Augen diverse Gemütsleiden studieren und diagnostizieren und die Psychologie in Zusammenhang zum Leib setzen konnten. Das waren oft traurige Anblicke, Männer, die im Kreis gingen, und Frauen jeden Alters, die sich die Kleider vom Leib rissen und unfeine Angebote machten. Unter anderem kartierten wir den sozialen Hintergrund, den Beruf, erbliche Leiden, physische Abnormitäten. Wir waren bei den hoffnungslosesten Fällen, auch bei einem Eingriff ins Gehirn, zugegen. Der Chirurg stach eine Nadel in der Größe einer Stricknadel hinter dem Ohr nach oben in die Frontallappen, oder er sägte direkt den obersten Teil des Schädels auf. Das fand ohne Betäubung statt. Wie man weiß, ist das Gehirn gefühllos. Aber ich sah den Schmerz und die entsetzliche Angst in den verzerrten Gesichtern dieser wachen, abwesenden Patienten. Mehrere Studenten fielen

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