Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
nicht so gemeint. Aber eine Doktorarbeit ist ja wohl auch nicht so ohne weiteres unter den Tisch zu kehren?«
Sigrid war sofort interessiert und schaute mir über die Schulter.
»Eine Doktorarbeit? Werde ich einen Professor heiraten?«
»Das ist nicht auszuschließen.«
»Und dann werden wir vielleicht aufs Schloss geladen?«
»Auch nicht unmöglich. Zumindest in die Akademie der Wissenschaften. Oder nach Akershus.«
Sigrid gab mir einen Kuss in den Nacken und flüsterte:
»Wenn wir aufs Schloss geladen werden, dann darf mein Stutenprinz keine schlimmen Worte sagen, so dass der König sie hören kann.«
Ich war beschämt von ihren Worten.
»Selbstverständlich nicht.«
»Denn du sagst die schlimmen Worte nur zu mir, nicht wahr?«
Ich dachte nach, dass es knackte.
»Natürlich, du meine Rückhandfotze.«
Sigrid lachte und schlug mir leicht auf die Wange.
»Bald bin ich aber deine Vorhandfotze.«
»Und wann?«
»Na, wenn wir verheiratet sind, du Dummchen. Ich muss mich für den Kampf noch ausruhen.«
Glücklicherweise fragte Sigrid nicht, wovon meine Doktorarbeit handeln sollte. Das hätte nämlich so seine Zeit kosten können, ihr das zu erklären, und ich glaube nicht, dass sie großes Interesse an dem Thema gehabt hätte.
Ich duschte, zog mir leichte Kleidung an, und wir aßen ein einfaches, aber leckeres Frühstück bei Sim. Solberg im Hegdehaugsveien, Kaffee und Kopenhagener, fast französisch. Dann spazierten wir durch den Frognerpark, zum Tenniscourt von Madserud. Es war ein perfekter Tag für jegliche Entfaltung, Sonne, aber nicht zu heiß, der August stand vor der Tür. Das Einzige, was die ansonsten wunderbare Stimmung störte, abgesehen davon, dass Sigrid auf Teufel komm raus mit Tora Tennis spielen wollte, das war dieser größenwahnsinnige Vigeland, der sich das Recht herausnahm, diesen ehemals schönen Park mit seinen nackten Kolossen zu bevölkern, aus Bronze und norwegischem Granit gearbeitet und in den unvorteilhaftesten Stellungen drapiert. Aber am Schlimmsten von allem war dieser Pfahl von 120 Tonnen, der ausschließlich aus kletternden Männern, Frauen und Kindern bestand, auch sie nackt, alle zusammen; es war wohl Vigelands Vision, dass diese armen Kreaturen dem Licht entgegenstreben sollten. Ich fand es eher so zu interpretieren, dass sie verzweifelt versuchten, Vigeland zu entkommen. Konnte er die Natur nicht einfach in Frieden lassen. Das dürfte doch wohl nicht so schwer sein. Sigrid dagegen war begeistert von Gustav Vigeland und seinen Ideen.
»Vigeland ist der Größte«, sagte sie.
Ich hätte nur ungern über so etwas Kleinliches wie diese Urzeitgestalten mit ihren Stiernacken und Pipetten zwischen den Beinen gestritten. Zwar hätte ich andeuten können, dass Vigeland verrückt war, ja, vielleicht größenwahnsinnig, wie schon gesagt, aber das waren doch eigentlich die meisten Mittelmäßigen sowieso, größenwahnsinnig. In meinen Augen war dieser Gustav Steinbeißer nicht mehr als ein Dekorateur, das war Prahlerei und noch mal Prahlerei, aber war es nötig, deshalb eine ganze Nation damit zu überschwemmen?
»Ja, wohl nicht größer als dein Stutenprinz, oder?«, bemerkte ich.
Ach meine selige Phrasendrescherei!
Sofort schob Sigrid ihren freien Arm unter meinen.
»Niemand kann meinen Stutenprinz schlagen. Aber siehst du nicht die Kraft?«
»Kraft?«
»Ja, diese robusten Körper. Die Muskeln. Die Freude. Die Gesundheit.«
»Doch, schon. Ich fürchte nur, dass er zu viel des Guten will.«
Sigrid ließ mich los.
»Zu viel? Wie meinst du das?«
Ich musste nach den richtigen Worten suchen.
»Ich meine nur, dass man nicht übertreiben sollte. Dass es nicht zu viel an Pomp und Süffisance sein sollte.«
»Und was ist dann mit dem Schlimmen? Kann es auch zu viel des Schlimmen werden?«
Ich musste mich verteidigen.
»Nicht, solange es in den eigenen vier Wänden passiert! Und außerdem mache ich keinen ganzen Park daraus!«
Nach so einer Rede mit dem Paukenschlag brauchte ich einen Baum, an dem ich nach Luft schnappen konnte.
Sigrid schaute mich durch die Saiten des Tennisschlägers an.
»Findest du, dass ich zu viel Gesundheit, Freude und Muskeln bin, Bernhard?«
»Keineswegs. Ich meinte die Kunst. Dass die Kunst ein gewisses Maß halten muss.«
»Maßhalten ist langweilig. Du hörst dich schon wie ein Professor an.«
Ich biss die Zähne zusammen.
»Jeder nach seiner Façon.«
»Was hast du gesagt?«
»Jeder nach seiner Façon.«
Sigrid nahm den Schläger
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