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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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hoch, und fast fürchtete ich, sie würde meinen Hut für einen Aufschlag benutzen.
    »Streiten wir uns, Bernhard?«
    Ich umarmte sie statt des Baumes.
    »Lass nicht diesen Vigeland zwischen uns kommen«, sagte ich.
    Wir gingen weiter zum Madserud Court, wo Tora bereits wartete, ungeduldig darauf, mit dem Satz zu beginnen, bevor die Sonne zu hoch stand. Sie winkte mir zu, und die Mädchen ließen den Ball ein paar Mal hin und her fliegen, bevor sie ihr erstes Spiel begannen. Ich fand einen Platz im Schatten, zündete mir eine Zigarette an und genoss das Spiel in langen, tiefen Zügen. Tora war genauso gekleidet wie Sigrid, aber was Größe und Breite betraf, konnte sie sich nicht mit ihr messen. Tora war schlank und kerzengerade, die Hüften stachen kaum an den Seiten hervor, ganz zu schweigen von den Brüsten, und das tue ich auch nicht, ich sage nur, dass sie auch ziemlich platt waren. Doch was Tora an Muskeln und Formen fehlte, das machte sie in Geschmeidigkeit und Geschwindigkeit wieder wett. Tora war Sigrids Trauzeugin und engste, vielleicht auch einzige Freundin. Sie hatten einander kennengelernt, als beide Familien vor vielen Jahren in Luzern im Winterurlaub gewesen waren. Ihr Vater war in der Restaurantbranche; er besaß mehrere Etablissements in der Stadt, unter anderem das Georges unten im Zentrum, in der Sehesteds gate. Ich hatte den Namen schon früher gehört, unsere Hausmädchen gingen nämlich dorthin, wenn es hoch herging am Samstag, denn dann trafen sie andere Dienstboten aus dem Norden. Später ging auch Sigrid dorthin, aber nicht, um Bekannte aus dem Norden zu treffen, sondern Deutsche, und das Lokal hatte inzwischen seinen Namen gewechselt, es hieß jetzt Nürnberger Hof . Tora war ziemlich bissig, obwohl sie immer wieder ihr Herz an Männer verloren hatte. Aber inzwischen hatte sie sich fürs Zölibat entschieden. Sie war gerade von einem Mann im Stich gelassen worden, den sie geliebt und von dem sie geglaubt hatte, auch er würde sie lieben. Deshalb war sie so bissig geworden. Ich hätte mir diesen Schurken gern vorgeknöpft, oh ja, das hätte ich, und das wäre ihm nicht besonders gut bekommen. Übrigens sagte Tora oft zu mir: Wenn du Sigrid nicht glücklich machst, dann bringe ich dich um. Ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass ihr das mit Bravour gelingen würde. Ich konnte nicht so recht sagen, ob ich sie mochte. Beanspruchte sie nicht zu viel Aufmerksamkeit? War sie möglicherweise zu aufdringlich in ihrem Zölibat? Ich zündete mir eine weitere Zigarette an und konnte nichts dagegen tun, ich wurde geradezu verhext von diesen beiden Freundinnen, die sich nach einem schwierigen oder hohen Ball streckten, diesen festen, glänzenden Wadenmuskeln und ebenso den Schenkeln, die zum Vorschein kamen, besonders, wenn sie auf Zehenspitzen balancierten und aufschlugen und manches Mal in einer Art stöhnten, die woanders zu Hause sein sollte. Kurz und gut, es war ein herrlicher Anblick. Dann fing ich auch noch an, die Schläge zu zählen. Ich war an diesem Tag also für Grillen nur so disponiert. Der Zwang war wie Eisen. Ich war Eisen. Ich war ein Magnet. Ich versuchte mich loszureißen, doch es nützte nichts, das wusste ich natürlich. Ich war in dem gefährlichen Bereich. Ich zählte bis achtzehn. Ich zählte bis elf. Ich war ein nichtsnutziger Schiedsrichter in einer geordneten Welt. Ich hätte mich woanders hinsetzen sollen, weiter in den Schatten. Stattdessen begann ich an Notto Fipp zu denken. Es half, dass ich an Notto dachte. Der Kampf dauerte seine Zeit, und das ist es, was mir an Tennis nicht gefällt. In anderen Sportarten ist die Zeit begrenzt, Fußball, Boxen, ja, bei den meisten Sportarten geht es sogar darum, möglichst wenig Zeit zu brauchen, wie Schlittschuhlaufen, Laufen, Skifahren. Aber ein Tennismatch kann im Prinzip ewig dauern. Und das ist unerträglich. Doch schließlich gab es ein Ende, wie bei den meisten Dingen, mit einem knappen Sieg für Tora, sechs zu fünf, glaube ich, ich kann mich nicht mehr so recht daran erinnern, und ehrlich gesagt habe ich mich auch nie wirklich mit den Regeln beschäftigt, das wäre einfach zu riskant gewesen, ich habe genügend Regeln, die ich im Zaum halten muss. Doch als Tora zum Netz lief, rutschte sie auf dem Kies aus und fiel hin. Sie schrie, vielleicht etwas zu laut. Trotzdem lief ich zu ihr und sah, dass ihr Knie blutete. Nach einer genaueren Untersuchung konnte ich feststellen, dass es sich nur um eine Schürfwunde handelte, eine

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