Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
Ich hätte sie an die Regeln erinnern können. Galten die nicht auch für Pensionsmütter? Ich hätte sagen können, dass ich mit einem Fingerschnips die Herberge schließen und für alle Zeiten verbarrikadieren konnte. Was zählte in diesem Zusammenhang eine Tür? Kurz und gut, ich musste sie loswerden, koste es, was es wolle.
»Ich werde natürlich für die Tür remboursieren«, sagte ich.
Die Pensionsmutter kam mit ihrem gesamten Bug gefährlich nahe, und ich wollte auf keinen Fall Landberührung mit ihr riskieren.
»Das haben Sie bereits getan! Ich dulde hier keine weitere Remboursierung mehr!«
Ich holte tief Luft und schluckte den Gestank nach verdorbenen, verschimmelten und verirrten Geschöpfen hinunter und hätte fast so laut losgeschrien, dass selbst die Vaterlandsbrücke Risse bekommen hätte. Ja! Was für ein Durcheinander! Kuddelmuddel und Schinkenspeck! Flittchen!
Stattdessen sagte ich, mit all dem Gewicht und der Autorität, die ich in jedes einzelne Wort legen konnte, ja, jede Silbe war ein Zeigefinger:
»Ich muss doch darum bitten, dass Sie das Zimmer verlassen und mich mit dem Patienten allein und in Frieden lassen, bis ich einen anderen Bescheid gebe!«
Meine Damen und Herren, bitte rot im Kalender anstreichen! Rot im Kalender der Alvims Herberge anstreichen, die so niedrige Decken hatte, dass selbst die totgeborenen Föten in den Gläsern im Rikshospital ihre Marken hinterlassen konnten! Errare! Aber ich war nicht nur ein Lästermaul. Ich hatte mir selbst einen Eid geschworen und hielt mich an der Kandare. Welch ein Sieg!
Die Pensionsmutter ließ sich jedoch nichts sagen.
»Sie haben hier gar nichts zu bestimmen. Hier bestimme ich.«
Ich holte ein paar Scheine hervor, die ich ihr gab, und sie ließ sich mindestens zweimal bitten. Während sie nachzählte, auf den Daumen spuckte und noch einmal zählte, wurde ihre saure Miene zu Sukkade.
»Und seien Sie so gut und machen die Tür hinter sich zu«, sagte ich.
Die Pensionsmutter zögerte einen Moment, denn die Tür ließ sich nicht schließen, schob die Scheine in den Kleiderärmel und ging schließlich, widerstrebend und zufrieden.
Dann waren wir endlich allein.
»Bin ich jetzt dein Patient?«, fragte Notto Fipp.
Ich öffnete die schwarze Tasche, in der ich meine bescheidene Ausrüstung mitgebracht hatte, das war nicht mehr als ein Medizinschrank, den ich herumtragen konnte. Besser als nichts.
»In allerhöchstem Grade«, sagte ich.
Sein Fuß machte mir die größten Sorgen. Die Füße waren sein Werkzeug. Eine Hand hätte er opfern können, sogar einen Arm. Der Fuß dagegen war nicht zu ersetzen. Hatte bereits der Wundbrand eingesetzt? Es war keine Zeit zu verlieren. Aber erst einmal maß ich den Puls. Und das Herz schlug im Takt, wenn auch in einem gewissen Stakkato. Als ich sein Hemd zur Seite schob, standen die Rippen wie Eisenbahnschienen vor und konnten mit bloßem Auge eine nach der anderen gezählt werden. Bei Berührung gab es keinen Zweifel. Die Abfuhr war geknebelt. Er war ganz einfach zu und verstopft.
»Wann hattest du das letzte Mal Stuhlgang?«
»Stuhlgang?«
»Ein dringendes Bedürfnis. Wann hattest du das letzte Mal ein dringendes Bedürfnis?«
»Du brauchst nicht in Rezepten mit mir zu reden.«
»Das wird sich nicht wiederholen. Wann hast du das letzte Mal den Enddarm entleert?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Nachdem du hierhergekommen bist oder während du gegangen bist?«
»Ich glaube, während ich gegangen bin. Auf jeden Fall musste ich bei Stange hinter einen Baum.«
Notto Fipp hatte sich also seit fast einem Monat nicht mehr entleert. Er konnte an Vergiftung sterben. Er konnte ganz einfach platzen. Ich durfte es nicht zeigen, damit er sich nicht noch elender fühlte.
»Tut das weh, wenn ich hier drücke, Notto?«
»Ja. Ich bin wieder dick geworden.«
»Dick? Hast du dich mal im Spiegel gesehen? Du bist nicht runder als ein norwegischer Flaggenmast.«
Notto Fipp war jedoch unerschütterlich und hielt an seiner Meinung fest.
»Ich muss bald raus und wieder gehen«, sagte er.
Schnell begriff ich, dass hier andere Mittel als Behauptungen, Ermahnungen oder gutes Zureden gebraucht wurden, unter anderem Rizinusöl. War ich etwa nicht auf seiner Seite? Waren wir etwa nicht vom selben Schlag?
»Warum bist du vor Evje umgekehrt?«, fragte ich.
Notto Fipp schloss die Augen, und hätte man es nicht besser gewusst, man hätte glauben können, dass er auf seinem eigenen Totenbett lag. Sprach er im Schlaf,
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