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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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redete er wirr?
    »Was bedeutet eigentlich tröiedüs?«
    Dann hatte er uns also doch da draußen gehört, sich aber geziert und mich gezwungen, die Tür zu ramponieren.
    Ich erwiderte seine Nachsicht.
    »Das war nur etwas, was mein Vater immer zu sagen pflegte. Es stammt aus dem Französischen. Trois et deux. Ein schlechter Wurf beim Würfeln.«
    »War er ein Spieler, dein Vater?«
    Ich dachte nach.
    »Vielleicht war er das. Er ist schon seit langem tot.«
    »Davor müssen wir uns in Acht nehmen, Doktor. Vor dem Spiel. Das kann uns den Tod kosten.«
    Notto Fipp sagte wir. Jetzt war es bestätigt. Der Stempel war aufgedrückt. Ich war auf seiner Seite. Wir gehörten zu dem kantigen Volk. Ich war bewegt, soviel darf ich einräumen, und nicht gerade wenig, das gebe ich auch zu. Es war, als wäre ich endlich zu Hause angekommen.
    »Du bist nicht mein Patient«, sagte ich. »Du bist mein Freund, Notto Fipp.«
    Ihm fehlte die Kraft, etwas dazu zu sagen.
    Vorsichtig legte ich den blauen, angeschwollenen Fuß auf seinen Platz im Bett.
    »Tut das weh?«
    Notto Fipp versuchte sich ein wenig im Bett aufzurichten, um bessere Sicht zu haben.
    »Ich merke gar nichts. Es ist, als wäre er gar nicht da, obwohl ich ihn doch deutlich sehen kann.«
    Dass er keine Schmerzen verspürte, konnte ein gutes Zeichen sein, dafür, dass die Entzündung sich nicht ausgebreitet hatte, aber ebenso gut konnte es ein schlechtes Signal sein, dafür, dass der Fuß tot war und amputiert werden musste.
    Ich kam direkt zur Sache: »Du brauchst Nahrung.«
    »Soll ich noch dicker werden?«
    Ich war gezwungen, ihn hart anzufassen:
    »Nein, Notto Fipp. Du brauchst Nahrung, sonst verschwindest du in dir selbst und kannst nicht mehr gehen!«
    Er lauschte diesen kraftvollen Worten und war für eine Weile gefügig.
    »Welche Art von Nahrung?«
    »Ich dachte, wir fangen an mit Fleischpepton. Was sagst du dazu?«
    Nicht mehr gefügig, ganz im Gegenteil:
    »Lass mich in Ruhe.«
    Es gab keinen Zweifel: Fieber, aber nicht typhoid. Er redete nur vor sich hin.
    »Willst du Milch haben?«
    Notto Fipp schaute mich an, seufzte schwer, und sein mitgenommenes Gesicht leuchtete derart auf, dass es der Unschuld und reinen Schönheit eines Kindes ähnelte, als wäre das Fieber im selben Moment weggepustet.
    »Ja«, sagte er. »Ein bisschen Milch könnte mir schmecken.«
    Ich untersuchte seinen Fuß noch einmal, und jetzt fand ich einen Abszess an der Hacke, hart wie eine Kastanie. Ich hatte weder Skalpell noch Lanzette in meiner Tasche, ganz zu schweigen von Betäubungsmitteln. Aber wie mein Mentor, Doktor Lund, immer zu sagen pflegte: Benutze das, was du zur Hand hast, wenn ein Leben auf dem Spiel steht. Ich nahm eine der Sicherheitsnadeln aus dem Pullover, entzündete ein Streichholz und erhitzte die Nadel, während Notto Fipp kein Wort sagte. Er war in meinen Händen. Dann steckte ich die Nadel in die Beule, schnell und brutal, und der Eiter floss heraus, und ich hörte ein lautes Stöhnen von meinem Patienten, Notto Fipp, das in einen tiefen Seufzer überging, Leiden und Erleichterung gleichzeitig.
    Das hätte Vater sehen sollen.
    Seine Nadeln kamen in meinen Händen zu ihrem Nutzen.
    Ich reinigte die Wunde mit ein wenig Branntwein, den ich mitgebracht hatte, genauer gesagt, mit echtem Cognac, und legte einen Verband an.
    »Wir müssen wohl in einer Woche einen Widaltest machen, um ganz sicherzugehen«, sagte ich.
    Notto Fipp war misstrauisch:
    »Widaltest?«
    »Dann nehme ich nur am Ohr ein bisschen Blut ab und schicke es ins Krankenhaus. Du musst nicht mit. Nur das Blut. Wir können nicht das Risiko eingehen, dass der Typhus sich wieder ausbreitet.«
    Notto Fipp reichte mir die Hand.
    »Du bist ein guter Mensch, Bernhard. Und davon gibt es nicht so viele.«
    »Na, immerhin sind wir schon zu zweit«, sagte ich.
    Wir waren beide gerührt.
    Bevor ich ging, um meine Einkäufe zu erledigen, überlegte ich, gab ihm drei Gramm Bromkalium, und sofort schlief er ein.
    Unten an der Rezeption stand immer noch die Pensionsmutter, und ich legte einen weiteren Schein auf den Tresen. Nichts macht die Menschen weicher als ein wenig Kapital.
    »Bringen Sie einen der Landstreicher dazu, die Tür zu reparieren, und sorgen Sie dafür, dass abgekochtes Wasser bei Herrn Fipp steht, wenn ich zurück bin.«
    Die Pensionsmutter war die Hilfsbereitschaft in Person, ja, sie schien sich sogar Sorgen zu machen.
    »Und wie geht es ihm?«
    »Den Umständen entsprechend einigermaßen. Aber lassen Sie

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