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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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wand sich auf seinem Stuhl.
    »Kannst du die nicht hier kriegen?«
    »Du weißt, dass Wörishofen der beste Platz ist.«
    »Warum musst du dann andauernd dahin fahren, wenn die Kur so fantastisch ist? Wirst du doch nicht kuriert dort?«
    »Du verstehst nichts von Wasserkuren. Die brauchen ihre Zeit.«
    »Könnte es nicht vielmehr so sein, dass dieser Kneipp, oder wie immer er auch heißt, einfach nur auf leicht verdientes Geld aus ist?«
    »Na, davon verstehst du wohl was.«
    Vater war auf der Hut.
    »Wie meinst du das?«
    Mutter leerte ihr Glas, langsam, verbittert, in Kneipps Namen.
    »Können wir es uns nicht leisten, mein Lieber?«
    »Natürlich können wir es uns leisten! Hast du nicht gehört, was ich gerade gesagt habe! Wir vergrößern uns! Wir beißen uns fest! Aber ich könnte dir doch wohl ebenso gut tausend Kronen geben, damit du im Gaustadbach herumspazierst! Ganz zu schweigen von Doktor Lund!«
    Vater schob die Hand in die Innentasche seines Jacketts, zog ein paar Scheine heraus und warf sie auf den Tisch.
    Mutter rührte sie nicht an.
    Sie sagte nur:
    »Und wenn wir zurückkommen, soll Beate fort sein.«
    Vater schien nicht zu glauben, was er hörte. Er beugte sich vor.
    » Was sagst du?«
    »Du hast es gehört. Ich will ein neues Hausmädchen haben.«
    »Aber lieber Gott! Ich dachte, du wärst mit Beate zufrieden! Bist du nicht mit Beate zufrieden? Du hast doch immer …«
    Jetzt war Mutter an der Reihe, sie beugte sich über den Tisch und unterbrach ihn.
    »Bernhard ist in den Apfelbaum geklettert! Er hätte sterben können! Und du meinst, ich soll mit ihr zufrieden sein?!«
    »Aber das ist doch wohl nicht Beates Schuld?«
    »Sie sollte auf ihn aufpassen!«
    »Sie? Vielleicht solltest du lieber auf ihn aufpassen!«
    Mutter zögerte einen Moment, zog sich dann zurück, bevor sie sagte:
    »Du bist es doch gewohnt, Leute rauszuschmeißen, oder?«
    »Wenn es nötig ist und ich keine andere Wahl habe, ja! Aber ich tue es nicht leichten Herzens!«
    »Es ist notwendig, und du hast keine andere Wahl. Mit dem Herzen kann ich leider nichts machen.«
    Plötzlich lächelte Vater, als wäre ihm etwas Vorteilhaftes eingefallen, und er faltete die Hände vor sich.
    »Ich würde lieber sagen, dass Bernhard heute eine kleine Großtat vollbracht hat. Auf die Spitze des Apfelbaums klettern. Das war mutig. Und da muss man halt damit rechnen, herunterzufallen. Und er hat überlebt. Nicht wahr, Bernhard?«
    Vater wandte sich mir zu, und es war vielleicht das erste Mal, dass er richtig stolz auf seinen Sohn war.
    Mutter seufzte tief und verzichtete darauf, etwas zu sagen.
    Ich nickte und starrte vor mich hin, dorthin, wo niemand saß, während ich die Schläge der Uhr zählte.
    Vater hatte Blut geleckt und warf einen Blick in die Zukunft:
    »Zuerst die Volksschule hinten in Midtstuen, Bernhard, dann machst du einen schnellen Mittelschulabschluss, anschließend das Kristiania Handelsgymnasium und ein Jahr mit Latein an der Universität, und dann steht es dir frei, Ökonomie und Wirtschaft zu studieren, entweder hier oder im Ausland.«
    Vestigia terrent!
    »Und dann, Bernhard, fängst du bei Hvals Nadeln & Industrie an, nicht ganz oben, nur weil du mein Sohn bist, sondern ganz unten sollst du anfangen, um dann hochzuklettern. Du wirst jeden einzelnen Zweig kennenlernen. Nicht wahr, Bernhard?«
    Ich nickte erneut.
    Aber plötzlich änderte sich Vaters Laune wieder, und er warf Mutter einen Blick zu.
    »Wir? Wie meinst du das?«
    Mutter war auch nicht gerade bester Laune:
    »Wir? Habe ich tatsächlich wir gesagt? Ja, und?«
    »Du hast gesagt, wenn wir zurückkommen. Wen meinst du damit?«
    Endlich stellte Mutter ihr Glas hin, und es wurde auch Zeit, denn eine Weile fürchtete ich, sie könnte es mit den bloßen Fingern zerbrechen.
    »Bernhard kommt mit.«
    Lange Zeit blieb Vater schweigend sitzen und starrte sie an.
    »Bernhard kommt mit? Warum das?«
    »Es tut ihm gut, ein bisschen rauszukommen.«
    »Er könnte lieber mit mir in die Fabrik kommen. Davon hätte er mehr. Nicht wahr, Bernhard?«
    Mutter schlug mit der Hand auf den Tisch.
    »Sag nicht die ganze Zeit, nicht wahr, Bernhard!«
    Vater stand auf. Er war blass und fast nicht wiederzuerkennen.
    »Gib Alfred Bescheid, wann er euch zum Bahnhof fahren soll.«
    Er ließ seine Serviette auf den Boden fallen und ging zur Tür.
    Mutter wurde einsichtiger und war nicht mehr so bissig.
    »Wohin willst du?«, fragte sie.
    »Ich werde Beate die allerbesten Referenzen geben«,

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