Die universellen Lebensgesetze des friedvollen Kriegers
Lektionen für uns bereit
und gibt uns Gelegenheit,
aus dem Gesetz von Ursache und Wirkung
zu lernen und ins Gleichgewicht zu kommen.
Mitgefühl ist die Erkenntnis, daß wir alle
innerhalb der Grenzen
unserer jetzigen Fähigkeiten und Überzeugungen
unser Bestes tun.
Daß ich dem Hungrigen zu essen gebe,
dem vergebe, der mich beleidigt, und meinen Feind liebe —
das sind große Tugenden.
Was aber, wenn ich nun entdecken sollte,
daß der armseligste Bettler und der unverschämteste Beleidiger
alle in mir selber sind und ich bedürftig bin,
Empfänger meiner eigenen Wohltaten zu sein?
Daß ich selber der Feind bin, den ich lieben muß — was dann?
C. G. Jung
I ch betrachtete die weise Frau über das kleine Kaminfeuer hinweg und sah in ihren Augen die Flammen tanzen. Ihr vom Feuerschein erhelltes Gesicht wirkte alterslos, abgesehen von ein paar Fältchen um die Augen, die wahrscheinlich vom Lächeln kamen. Sie lächelte oft. Selbst wenn sie scheinbar todernst war, entdeckte ich stets ein Fünkchen Humor und Selbstdistanz in ihren Gesichtszügen.
Eine Zeitlang starrten wir stumm in die Glut des Kaminfeuers. Dann forderte sie mich auf, mit ihr nach draußen zu gehen, um das Gesetz des Mitgefühls zu lernen. Wir erhoben uns und verließen die Hütte.
Staunend blickte ich mich um. Hatte die Umgebung sich etwa schon wieder verändert, oder kam mir das im Mondschein nur so vor? Vor uns lag eine baumbewachsene Ebene. Die Bäume boten Schutz vor dem leichten Nieselregen, der die Luft vom Staub des Tages reinigte und uns einen angenehmen Duft nach Rinden und Blättern, Erde und Gras in die Nase steigen ließ.
«Es wirkt alles so lebendig», sagte ich.
«Ist es auch», bestätigte sie und streichelte die rauhe
Rinde eines Baums, der in der Nähe stand. Das Licht des zunehmenden Mondes ließ die Hügel wie sanfte Rundungen am Körper der Erde erscheinen. «Schick deinen Geist auf die Reise. Laß ihn weit über diese Hügel hinwegschweifen», forderte sie mich auf, «über Ozeane, Fjorde, Vulkane und Riffe und über die Berge, die sich unter und über dem Meeresspiegel auftürmen. Überall wimmelt es von Leben — alles ist Fleisch und Blut, Knochen und Geist deiner Mutter Erde.»
Sie hob den Finger und zeigte mir einen winzig kleinen Floh. Mit einem Satz war er davongehüpft. «Wenn du ein Floh auf dem Rücken eines Elefanten wärst, dann würdest du nur einen Wald dicker Haare um dich herum sehen und hättest keine Ahnung, wo du eigentlich bist. Doch wenn du dann hoch in die Luft sprängest und dich umsähest, würdest du erkennen, daß du auf der Haut eines lebenden Wesens existierst. So ist es auch den ersten Astronauten im Weltraum ergangen. Sie verließen die Erde als Wissenschaftler und Piloten und kehrten als Mystiker zurück, denn sie hatten die Vision eines einmaligen, wunderbaren, heiligen, blaugrünen, lebendigen, atmenden Planeten erblickt. Diese Vision macht uns demütig, und Ehrfurcht und Mitgefühl begleiten uns von diesem Augenblick an auch im täglichen Leben.
So wie dich ein Reiher Gleichgewicht und eine Katze das Leben in der Gegenwart lehrte, so kann dich die Erde, auf deren Haut wir treten, deren Bäume wir fällen und verbrennen, deren lebendige Reichtümer wir ohne Dank und Rücksicht ausbeuten, das Gesetz des Mitgefühls lehren.»
Die weise Frau blickte zum Nachthimmel empor. «Ich spreche schon seit vielen Jahrhunderten mit der Erde. Ich kenne ihr innerstes Herz und weiß von ihrem tiefen Verständnis für uns. Wenn du auch nur einen Bruchteil ihres
Mitgefühls nachempfinden könntest, würden dir die Tränen in die Augen treten. Die Erde verzeiht uns, weil sie weiß, daß wir Fleisch von ihrem Fleisch sind. Wir sind ein Teil von ihr, der immer noch lernt und wächst.
Und nun frage ich dich», fuhr sie fort, während sie niederkauerte und eine Handvoll fruchtbarer Erde durch ihre Finger rinnen ließ, «wenn die Erde imstande ist, dir deine Fehler und Irrtümer zu verzeihen, warum kannst du dir dann nicht auch selbst verzeihen und anderen Menschen das gleiche Mitgefühl entgegenbringen?»
Ich legte mich auf den Rücken und blickte zum Sternenhimmel empor. «Ich glaube, Mitgefühl ist nicht gerade meine Stärke.»
«Du begegnest auch dir selber ohne viel Mitgefühl, stimmt’s?» fragte sie sanft.
«Ja, wahrscheinlich.»
«An diesem Punkt mußt du ansetzen. Je mehr Liebe und Barmherzigkeit du dir selbst entgegenbringst, um so mehr davon kannst du auch anderen Menschen
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